: Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar
...teilt sich derzeit – wie so oft – wieder einmal in zwei Hälften: Die eine Seite mimt den biederen Bräutigam mit dem Wunsch nach Eigenheim und Zierfischen, die andere, sagen wir mal: Rückseite macht weiter wie bisher und spart eher auf neue Chaps als auf die Aussteuer. Dabei ist die Nummer mit der Homo-Ehe ein Hit. Noch nie gab es in den Medien so viel gute Kritiken für die einstmals Perversen, und die öffentliche Meinung dankt den Brautpaar-Darstellern mit allerbesten Noten: Nach einer Forsa-Umfrage befürworten 48 Prozent der Deutschen das Recht auf die gleichgeschlechtliche Eheschließung.
Daß die Öffentlichkeit derart freundlich reagiert, ist nicht weiter verwunderlich. Der Homosexuelle, der an sich einfach nicht mehr zu übersehen ist, ist in dieser domestizierten Form am besten zu ertragen. Wenn man ihn schon hinnehmen muß, dann doch lieber im trauten Bild vom Heimchen am Herd denn als Kinderschänder, Virusschleuder oder Sexmonster. Außerdem wird das Auslaufmodell Ehe von einer Seite revitalisiert, von der man es nun gar nicht erwartet hat.
Dabei will, wenn man mal ganz ehrlich ist, von den Homos kaum einer heiraten. Nicht wirklich! Die Zahl der homosexuellen Paare, die im August an der vom „Schwulenverband in Deutschland“ (SVD) organisierten „Aktion Standesamt 1996“ bundesweit (!) teilgenommen haben, liegt etwa gleichauf mit der Besucherzahl der offenen Klöppelgruppe im Schwulenzentrum von Wuppertal-Elberfeld. Auch die Statistik aus den Ländern, die schon erlauben, worum man hier noch bittet, signalisiert keine Euphorie: In Dänemark haben es seit 1989 gerade mal 1.400 lesbische und schwule Paare zum Standesamt geschafft, in Schweden sind es seit Januar 1995 gut einhundert. Hier wie da steht die öffentliche Resonanz und das Tam-Tam einiger Homo-Funktionäre in überhaupt keinem Verhältnis zum Willen derer, um die es angeblich geht. Dennoch widerspricht der Homosexuelle nicht beim „Traut euch!-Spiel, schließlich hat er lange genug auf eine gute Presse gewartet. Außerdem kann er mit dem an die Eheforderung gebundenen Ruf nach Gleichheit vor dem Gesetz so tun, als habe er politisch noch was zu fordern. Dabei kommt es ihm zupaß, daß er die Rolle des unterdrückten und diskriminierten Wesens so gut beherrscht wie keine zweite. Und der Illusion, daß ein Trauring ihm mehr Respekt und Anerkennung verschafft als jede andere Errungenschaft, hängt er nach, seitdem er weiß, daß er homosexuell ist.
Einen weitaus realistischeren Einblick in die Gefühlslage vor Ort gibt die bestens mit den Nöten ihrer Leser vertraute Briefkastentunte Mercy Milford und schreibt in der aktuellen Ausgabe der derzeit besten aller Schwulenzeitungen Du und dein SchwuZ zum Thema Paare und Beziehungen: „Vergessen Sie die Männer. Legen Sie sich eine Schallplatten-, Joghurt- oder Bierdeckelsammlung zu, und reden Sie sich täglich ein, daß man eh nichts ändern kann und daß Sie auch so glücklich werden können. Sollten Sie sich aber wider besseres Wissen dennoch mal verlieben, seien Sie stets unnahbar, grantig und schlechtgelaunt und behandeln Sie Ihr Gegenüber wie den letzten Dreck. Man wird es Ihnen danken!“ Von Tunten lernen heißt singen lernen.
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