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Karlsruhe gegen CDU-Simon

■ Ein Beschluß des Bundesverfassungsgerichts bringt den CDU-Abgeordneten und Gehag-Vorständler Simon in Bedrängnis: Muß er doch auf sein Mandat verzichten?

Für den CDU-Abgeordneten Heinz-Viktor Simon wird es eng. Möglicherweise wird der 53jährige nun doch auf sein Parlamentsmandat verzichten oder seinen Posten als Geschäftsführer der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft Gehag aufgeben müssen. In diese Richtung weist ein vom Bundesverfassungsgericht ergangener Beschluß an das Landgericht. Dort ist eine Klage Simons anhängig.

Die VerfassrungsrichterInnen Jutta Limbach, Karin Graßhof und Hugo Klein zeigen in ihrer 13seitigen Begründung deutliche Sympathie für die Bestimmungen des Berliner Wahlgesetzes. Danach scheiden Abgeordnete aus dem Parlament aus, wenn sie Geschäftsführer in einer unter Aufsicht des Landes stehenden Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts oder in einem privatrechtlichen Unternehmen sind, an dem das Land zu mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Der erstmals für diese Legislaturperiode geltende Passus – er war gegen den Widerstand der CDU eingeführt worden – hatte nach der Wahl im Oktober 1995 für Wirbel gesorgt. Erst nach öffentlichem Druck hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky auf seinen Vorstandsposten bei der (landeseigenen) Bankgesellschaft Berlin (BB) verzichtet. Indirekt blieb er der Bank aber als Vorstandsmitglied der BB-Tochter Hypotheken- und Pfandbriefbank verbunden – dies ist laut Wahlgesetz zulässig.

Simon hingegen entschied sich für einen Rechtsstreit. Nachdem der Steglitzer Abgeordnete wieder ins Parlament gewählt worden war, hatte ihn der Gehag-Aufsichtsrat aufgefordert, keine „bedeutenden Rechtsgeschäfte“ mehr für das Landesunternehmen (Beteiligung 75,18 Prozent) zu tätigen und sich dabei ausdrücklich auf das Wahlgesetz berufen. Daraufhin klagte Simon gegen die Gehag vor dem Landgericht, das seine Entscheidung aussetzte und Karlsruhe anrief. Doch die obersten Richter wiesen die Vorlage nun als „unzulässig“ zurück. Simon hatte seine Klage damit begründet, daß seine Tätigkeit im Gehag-Vorstand durch sein Mandat nicht beeinträchtigt werde. Zudem verstoße das Wahlgesetz gegen das höherrangige Bundes-Aktienrecht.

Das sehen die Karlsruher Richter allerdings anders: Das Wahlgesetz diene „einem spezifisch parlamentsrechtlichen Zweck; die im Bereich des Aktienrechts eintretenden Folgen erscheinen demgegenüber als bloßer Reflex“. Interessant ist ein weiterer Aspekt des Beschlusses: Eine „Interessenkollision“ entstehe auch dann, wenn leitende Angestellte eines Privatunternehmen, das „von einem Bundesland beherrscht wird, gleichzeitig Abgeordnete im Parlament dieses Landes sind“. Diese seien dann wie Angestellte des öffentlichen Dienstes zu behandeln – und für sie gilt, daß sie nicht zugleich in der Verwaltung tätig sein und diese im Parlament kontrollieren können. Aus diesem Grund müssen laut Wahlgesetz etwa Mitarbeiter der Hauptverwaltung ihren Beruf für die Zeit der Parlamentszugehörigkeit ruhen lassen. Ob Simon angesichts des Karlsruher Beschlusses an seiner Interpretation festhalten kann, ist fraglich. Die Bündnisgrünen forderten gestern das Parlamentspräsidium auf, noch vor seiner nächsten Sitzung am Donnerstag eine Entscheidung zu fällen. Severin Weiland

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