: Letzter Kick oder ein Kick zuviel
Landesstelle für Suchtgefahren richtet ab Oktober „Ecstasy-Hotline“ ein / Heute endet das Verbot für einige der „Glückspillen“ ■ Von Elke Spanner
Die Party war großartig. Der Sound war gut, die Dekoration wild, und vor allem waren die anderen Raver plötzlich so nah, vertraut. 24 Stunden dauerte das Glücksgefühl an, das nach Abklingen der Fete nahtlos in depressive Anflüge umkippte. Alltag „auf E“.
Die vielbeschworene „big family“ der Technoszene ist zunehmend auch zur „big Ecstasy-family“ geworden, die täglich Nachwuchs bekommt. Gleichzeitig wächst allerdings weniger das Wissen über die synthetische Droge als der Informationsbedarf. Die Hamburgische Landesstelle für Suchtgefahren will Abhilfe schaffen: Ab Oktober schaltet sie eine „Ecstasy-Hotline“. Per Telefon können sich KonsumentInnen und alle, die Fragen haben, das nächste halbe Jahr über die „Glückspille“ informieren.
Was den rechtlichen Rahmen des Konsums anbelangt, haben sich viele mögliche Fragen allerdings vor dem Start der „Hotline“ am kommenden Dienstag von alleine erledigt: Das auf ein Jahr begrenzte, vorläufige Verbot für die als „Ecstasy“ gehandelte Substanz MBDB sowie für drei chemisch verwandte Designerdrogen ist gestern abgelaufen. Ab sofort können diese Pillen legal gehandelt und konsumiert werden.
Weitgehend unklar ist dagegen nach wie vor die medizinische und psychische Wirkung von „E“. Das einzig Berechenbare an der synthetischen Droge ist ihre Unberechenbarkeit. Was den einen den letzten Kick für die Party gibt, gibt den anderen den einen Kick zuviel. Zwischen sonst unerreichten Glücksgefühlen und Psychosen liegt die Bandbreite der Erlebnisse, die KonsumentInnen nach dem „Einwerfen“ einer Pille schildern.
Rund 15.000 Menschen, so die vorsichtige Schätzung von Landesstellen-Geschäftsführer Gerd Rakete, nehmen in der Hansestadt Ecstasy. Zwischen 15 und Mitte zwanzig sind die meisten, die überwiegend über Technodiscos und -clubs auf den Geschmack kommen. Mittlerweile ist der Konsum fast billiger als Alkohol: Schon für 15 Mark sind die „Glückspillen“ zu bekommen, die zu einem rund fünfstündigen Rausch verhelfen.
Das übliche Konzept der Drogenarbeit spricht die „E“-KonsumentInnen nicht an, da sind sich die InitiatorInnen der Hotline einig. Die „Partydroge“ hat eine neue Klientel, denn „E“ hilft nicht beim „Aussteigen“, sondern wirkt integrativ. Die Landesstelle warnt einerseits davor, Panik vor den – noch unerforschten – Folgen des „E“-Konsums zu schüren. Andererseits spricht sie wie bei Heroin von einer „harten Droge“. „Viele KonsumentInnen haben gar nicht das Bewußtsein, daß sie eine harte Droge nehmen“, weiß Sischa Sommer-Gieseke von der Beratungsstelle "seehaus“. UserInnen folgten oftmals der Überlegung: Ob fünf Becher Kaffee, einen Red Bull – oder eben Ecstasy. Eine Drogenberatungstelle wäre entsprechend keine Anlaufstelle für sie. Die Hotline will anders sein: Anonym und per Telefon beantworten PsychologInnen und PädagogInnen die Fragen – und schon das Layout der Werbeplakate und Aufkleber, die in den nächsten Wochen verteilt werden sollen, gibt sich „szenenah“.
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