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■ GlosseHand anlegen

Berlin hat ein Problem. Seine Innensenatoren leiden an Neurosen, in der Regel an handfesten Persönlichkeitsstörungen. Das kommt vor, wäre auch nicht weiter tragisch, würden sie denn das Naheliegende tun, nämlich einen Therapeuten aufsuchen. Leider wählen sie andere Strategien. Nur zu gern würden sie sich als geliebte „Ausländer raus!“-Senatoren in die Herzen des „gesunden Volksempfindens“ einschleimen.

Die schwarze Serie begann vor über 15 Jahren mit Heinrich Lummer. Für den kleinen Mann war die rituelle und obsessive Beschwörung eines Türkenproblems der Zaubertrank, der ihn wachsen ließ. Mit „Ausländer raus!“-Forderungen aufgegeilt, konnte auch ein Lummer schließlich seinem eigenen Spiegelbild in napoleonischer Größe gegenübertreten, ohne erneut in frühkindliche Traumata zu verfallen.

Innensenator Dieter Heckelmann war auch so ein bedauerlicher Fall. Unsicher, sprachgehemmt und misanthropisch war er in der Öffentlichkeit zu keinen allzu intelligenten Gedanken in der Lage. Selbstbewußte, aufgeklärte Bürger machten ihm Angst. Mit Panik in den Augen und Schweißperlen auf der Stirn klammerte er sich während des Interviews ein ums andere Mal an die Schreibtischkante. Festigkeit und Entschlossenheit kam in Stimme und Statur, wenn er uns Berlinern die endliche Lösung der Asylantenfrage versprach. Klammheimliche Zustimmung kam bei ihm auf, als es in Rostock brannte. Gesagt hat er's natürlich anders.

Auch mit ihrem neuen Innensenator, Jörg Schönbohm, hat die Stadt wenig Glück. „Flüchtlinge sollen in Bosnien Hand anlegen, anstatt hier die Hand aufzuhalten“, dies sein Beitrag zur Rückführung ab heute. Daß 30.000 bosnische Kriegsflüchtlinge teuer sind, die Stadt wenig Geld hat, das weiß nun jedes Kind in Berlin. Aber nahezu jedes weiß gleichzeitig, daß da unten die Verhältnisse anders sind. Deshalb greift die Anti-Kriegsflüchtlings-Kampagne unter den Berliner bis heute auch nicht. Im Gegensatz zu den Innensenatoren haben sie in den letzten 15 Jahren etwas gelernt: Humanitäre Hilfe ist kein Luxus, den man sich mal leisten kann und mal nicht. Darum krempeln viele Bürger die Ärmel hoch und arbeiten weiterhin daran mit, den Flüchtlingen die Rückkehr in Würde zu ermöglichen.

Innensenator Jörg Schönbohm sollte sich derweil fragen, wie lange er noch seine Hand aufhalten will, um für Schwachsinniges fette Kohle einzustreichen. Berlin ist inzwischen zu arm, um diese Formen persönlichkeitsstabilisierender Selbsterfahrungskurse für angeschlagene ältere Herren zu finanzieren. Eberhard Seidel-Pielen

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