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Verleumdung unter Bossen

Der Star-Rationalisierer López und die Folgen: Volkswagen verklagt Opel wegen Rufschädigung auf Schadenersatz  ■ Aus Frankfurt am Main Klaus-Peter Klingelschmitt

Gestern kreuzten sie vor den Schranken des Landgerichts in Frankfurt erneut die Klingen: die „Mutter“ General Motors (GM) mit ihrer „Tochter“ Adam Opel AG an der Hand – und die Volkswagen AG. Ein „internationaler Wirtschaftskrieg“, so VW, werde juristisch aufgearbeitet. Doch die rund einstündige mündliche Verhandlung vor der 6. Zivilkammer war nur eine Etappe in der offenbar immer härter werdenden Auseinandersetzung zwischen den Automobilgiganten vom Main und aus Detroit auf der einen und dem aus Wolfsburg auf der anderen Seite.

Zur Verhandlung kam eine Klage von VW auf Schadenersatz in Höhe von offiziell nicht bestätigten 10 Millionen Mark für eine angeblich von Opel und GM initiierte „Rufmordkampagne“ gegen die Wolfsburger. Opel und GM sollte von der Kammer auch untersagt werden, diese laut VW „rufschädigenden Äußerungen“ weiter zu verbreiten. In seiner Klageschrift bezog sich VW auf Presseerklärungen von Opel und GM, die im März 1996 auf zwei parallel stattfindenden Pressekonferenzen in Rüsselsheim und Detroit an Journalisten verteilt wurden. Und auf ein Interview des Vizepräsidenten von GM-Europa, Hans Wilhelm Gäb, in der Zeitschrift Stern. Dabei sei VW jeweils unterstellt worden, eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet und sich gegen Opel/GM „kriminell verschworen“ zu haben. Tenor, meint VW: „Alles Verbrecher in Wolfsburg.“

Hintergrund der gesamten Affaire, die in der Hauptsache wohl demnächst in einem von GM angestrengten Prozeß gegen Volkswagen in Detroit juristisch aufbereitet werden wird, ist der Wechsel von Topmanager José Ignacio López de Arriortua von Opel zu VW im Februar 1993. Und López, der in der Branche als „harter Sanierer“ firmiert, nahm gleich noch ein Dutzend seiner engsten Mitarbeiter mit von Rüsselsheim nach Wolfsburg. Danach, so der Vorstandsvorsitzende der Volkswagen AG, Ferdinand Piäch, habe Opel eine beispiellose „Schlammschlacht“ gegen sein Unternehmen initiiert.

Tatsächlich behauptete Opel nur Tage nach dem Wechsel von López und seiner zwölf Getreuen zu VW, daß der Baske auch geheime Unterlagen habe mitgehen lassen. Opel erstattete Strafanzeige: „Verdacht auf Verrat von Betriebsgeheimnissen“. Und im Zuge der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wurden im August 1993 die Zentrale von VW in Wolfsburg und die Privatwohnungen von Ex-Opel-Managern, die mit López zu VW gewechselt waren, durchsucht.

Ein Jahr nach dieser Aktion gab die Staatsanwaltschaft in Darmstadt bekannt, daß die beschlagnahmten Unterlagen den von Opel gehegten Verdacht gegen López erhärtet hätten.

Der Konter von VW: Opel habe diese Unterlagen einem seiner Ex- Mitarbeiter nachträglich untergeschoben. Denn Opel, so Ferdinand Piäch, führe einen „persönlichen Rachefeldzug“ gegen López. Und der „US-amerikanische Konzern“, so der Österreicher Piäch damals weiter, versuche, mit den „unhaltbaren Anwürfen“ gegen López und andere einen Mitbewerber auf dem europäischen Markt auszuschalten.

Die von VW beanstandeten Äußerungen auf den Pressekonferenzen vom März 1996 jedenfalls werteten die Justitiare von Opel und GM gestern als „freie Meinungsäußerungen“. Ohnehin sei auf beiden Pressekonferenzen nur die Klage gegen VW in Detroit vorgestellt und auf ihre „US-amerikanischen Rechtsgrundlagen“ verwiesen worden.

Der Terminus der „kriminellen Verschwörung“ entspreche diesen Rechtsgrundlagen. Und in jedem Wörterbuch, so Opel/GM-Advokat Heckel süffisant, würden sich noch „weitaus schlimmere Übersetzungsmöglichkeiten“ für den, diesen Straftatbestand beschreibenden angloamerikanischen Rechtsbegriff finden lassen. Heckel: „VW hat eine überflüssige Klage eingereicht.“

Das sah die klagende Gegenpartei naturgemäß anders. Opel und GM hätten mit dieser Kampagne auch gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb verstoßen. Und das sei mit dem grundgesetzlich garantierten Recht auf freie Meinungsäußerung „nicht zu vereinbaren“. Die 6. Zivilkammer will am 30. Oktober 1996 ihr Urteil verkünden.

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