: Urdeutsche Unternehmerpotenz
■ Ein Führer zu den Firmenmuseen in Deutschland
Museumstourismus ist zu einem wichtigen Bestandteil der Eventkultur geworden: Immer größere, immer aufwendigere Ausstellungen und Inszenierungen. Dazu maßgeschneiderte Wochenendpackages rund um den Museumsbesuch.
Doch neben den allbekannten „VIMs“ (Very Important Museums) machen die vielen „No name“-Museen, das Heimatmuseum um die Ecke oder das kleine Museum für Volkskunde den attraktiven Museumsstandort Deutschland mit seinen etwa 5.000 Häusern aus. Dazu gehören auch die vielfach unbekannten Firmenmuseen, also Museen, die von Unternehmen eingerichtet und getragen werden. 160 Beispiele musealer Unternehmenskultur stellen die beiden Autorinnen Anne Mikus und Renate Schwärzel in ihrem Segment-Museumsführer vor. Das Geleitwort spendierte Werner „Keks“ Bahlsen.
Besonders zahlreich vertreten sind Automuseen (13), Brauereimuseen (10) und Bergbaumuseen/ Besucherbergwerke (7) – Spiegelbild urdeutscher Unternehmenspotenz. Doch die Unikate sind es, die in der nach Bundesländern gegliederten Museensammlung ins Auge springen: zum Beispiel das „Kleine Stuck-Museum“ in Freiburg, das „4711 Museum“ in Köln oder das „Hot Spice Gewürzmuseum“ in Hamburg.
„Special interest“-Fans finden beim Durchblättern des Buchs die richtige Adresse: Zahnarztpraxis- Belegschaften werden in die Dentalhistorische Sammlung in Coburg pilgern, Kleine-Bäumchen- Liebhaber das „Bonsai Museum Heidelberg“ gern beehren (wie bereits „alle bekannten Bonsaimeister der Welt“) und Schokoholics das Kölner „Imhoff-Stollwerk- Museum“ stürmen.
Bügeleisen und Nähmaschinen, Spielautomaten, Waagen und Gewichte: kaum ein alltagskultureller Gegenstand, der nicht museumsreif wäre. Auch oder gerade die Dinge, über die wir uns normalerweise nicht ständig Gedanken machen, haben es in sich: zum Beispiel Hebezeuge. Die Firma Neuhaus in Witten, Betreiberin des Hebezeug- Museums, hat sogar schon mal eine Kirche versetzt. Und nach einem Besuch des Unternehmens Würth im baden-württembergischen Künzelsau haben wir gelernt, „daß ohne Schrauben und Gewindeteile die gesamte Welt innerhalb weniger Minuten kollabieren würde“. Wie gut, daß es euch gibt, ihr Schrauben und Gewinde!
Doch nicht alle Museen machen an, siehe das unlängst eröffnete „Beate Uhse Erotik Museum“ in der Berliner City. Viel aufregender ist da ein Rundgang durch „Omas Waschküche“ im Berliner Bezirk Köpenick. Hier können wir bestaunen, wie die alten Waschweiber mit „Rubbelblitz“ und anderen Waschutensilien gebeucht, gewaschen, gewrungen, gemangelt und geplättet haben.
Der Führer widmet jedem Museum schön egalitär eine Seite. Das Kurzporträt mit Sammlungsschwerpunkten wird „ergänzt“ durch aussageschwache Schwarzweißabbildungen (verwaschen, dunkel, fehlende Bildunterschriften) sowie Alibi-Kartenskizzen (Lupe bereithalten!). Eine Infospalte listet Adresse, Ansprechpartner, Öffnungszeiten, Eintrittspreise und Wegbeschreibungen auf. Das dreigeteilte Register im Anhang, untergliedert nach Trägerunternehmen, Wirtschaftsbranchen und Museumsorten, dient dem schnellen Zugriff. Günter Ermlich
Anne Mikus, Renate Schwärzel: „Firmenmuseen in Deutschland“. Herausgegeben von der Vereinigung deutscher Wirtschaftsarchivare e.V., Bogenschütz-Verlag, Bremen 1996, 29,80 DM
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