piwik no script img

NachgefragtBewährter Automat

■ Kreuzberger Bezirksbürgermeister über Stütze aus dem Geldautomaten

Startet in Kürze im Sozialamt Mitte-West der Pilotversuch, Sozialhilfe per Geldautomaten auszuzahlen? Einschlägige Erfahrungen damit sammelt der Berliner Bezirk Kreuzberg bereits seit Februar dieses Jahres. Die taz Bremen fragte bei dem Kreuzberger Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Bündnis 90/Die Grünen) nach, welches Fazit er nach acht Monaten zieht.

taz: Herr Schulz, wie sind Ihre Erfahrungen mit dem Pilotprojekt?

Hans Schulz, Bezirksbürgermeister Kreuzberg: Sehr positiv. Wir konnten mit dem Automatensystem lange Wartezeiten abbauen. Die SozialhilfeempfängerInnen werden nicht mehr so zur Schau gestellt – ein sonst diskriminierender Faktor bei der Auszahlung. Zudem werden die MitarbeiterInnen der Bezirkskasse enorm entlastet.

Wie nehmen die Betroffenen das Projekt an?

Mit Begeisterung. Es gab zwar zu Anfang ein paar Software-Probleme, verbunden mit Wutausbrüchen. Aber jetzt läuft alles bestens.

Wie gewähren Sie die Sicherheit des Systems, daß kein Mißbrauch getrieben wird?

Die Betroffenen erhalten eine Chipkarte und müssen zudem als Geheimnummer ihr Geburtsdatum eingeben. Das ist einerseits sicher, andererseits aber auch recht einfach zu merken und damit bedienerfreundlich.

Der Versuch hat sich also bewährt?

Auf jeden Fall. Wir werden das Projekt fortführen. Ob es sich berlinweit etabliert, bleibt abzuwarten.

Nun fordern in Bremen mehrere Initiativen, auf solche Automaten zu verzichten und stattdessen allen SozialhilfeempfängerInnen Girokonten einzuräumen. Wie beurteilen Sie diese Forderung?

Das ist nur zu begrüßen. Leider spielen da die Banken nicht mit. Ein guter Prozentsatz der Sozialhilfebedürftigen erhält kein Konto, weil den Banken diese Klientel unangenehm ist. Das ist reine Diskriminierung. Obwohl die Banken eigentlich eine soziale Verpflichtung dazu hätten, wie ich meine.

Kann sich diese Haltung der Banken auf die Wiedereingliederung etwa in den Arbeitsprozeß negativ auswirken?

Aber sicher! Es erregt doch Aufsehen bei einem potentiellen Arbeitgeber, wenn ich kein Gehaltskonto angeben kann. Ich kann mich darum nur wiederholen. Die Banken müssen verpflichtet werden, jedem ein Girokonto einzuräumen. Sonst können wir uns einen guten Teil unserer Sozialarbeit auch gleich sparen.

Besteht darin nicht ein gewisses Risiko für die Banken, Verluste zu machen, weil Außenstände nicht eingetrieben werden können?

Das Risiko ist so gering, daß ich darüber nur lachen kann. Außerdem hat niemand gefordert, allen SozialhilfeempfängerInnen riesige Dispokredite einzuräumen. Die Banken verzichten einfach liebend gern auf eine gewisse Klientel.

Zum Abschluß, was können Sie Ihren KollegInnen in Bremen mit auf den Weg geben?

Solange die Banken sich sperren und damit einer Resozialisierung einer bestimmten Bevölkerungsschicht im Weg stehen, müssen wenigstens die Rathäuser ihre Hausaufgaben machen. Dabei ist das Pilotprojekt Sozialhilfe per Geldautomat ein wichtiger Schritt nach vorn – eben um solche gesellschaftlichen Defizite abzubauen.

Fragen: Jens Tittmann

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen