: Druck aus Holland
■ Schlepper-Besatzungen sollen flexibel arbeiten / Billigkonkurrenz als Druckmittel in Tarifverhandlungen
Der Hamburger Schlepperkrieg schlägt Wellen bis an die Weser. Die holländische Kotug-Reederei, die seit einigen Monaten an der Elbe mit Billigangeboten das etablierte Schleppschiff-Kartell der fünf alteingesessenen Reedereien aufmischt, schwebt auch als drohende Konkurrenz über Bremen. Besonders, wenn Arbeitgeber, so wie zur Zeit, in Tarifverhandlungen die Schlepper-Besatzungen zur Flexibilisierung der Arbeits- und Wachzeiten bringen wollen, um Kosten zu sparen.
„Gedanken, nach Bremen zu gehen, sind noch vollkommen unausgereift“, sagt Kotug-Geschäftsführer Peter Steinert. Zunächst wolle sein Unternehmen, das mit Seeleuten aus Rostock zu untertariflichen Bedingungen arbeitet, seine Position in Hamburg festigen. Dennoch wird die Angst vor der Billigkonkurrenz gerne in den Tarifverhandlungen bemüht, berichtet Rainer Müller von der Gewerkschaft ÖTV.
Die Kotug-Schlepper in Hamburg arbeiteten insgesamt 70 Prozent billiger, als die tariflichen Bedingungen an der Unterweser zuließen, klagt Michael Schroiff, Geschäftsführer der URAG-Reederei. URAG hat 25 Schlepper und betreibt gemeinsam mit dem Transport Service T & S und einem Schiff der Midgard das Geschäft der „Seeschiffassistenz“ in Bremen, Bremerhaven und Nordenham. Als Arbeitgeber hat Schroiff ein Ziel: Die 250 Beschäftigten sollen möglichst dann bereitstehen, wenn ein Schiff an die Kajen geschleppt werden soll. „Die Formel heißt Jahresarbeitszeit“, sagt Schroiff. Das starre 3-Wachen-System sei zu teuer. Man wolle ja den Leuten kein Einkommen (ein Schlepperkapitän verdient rund 6.000, ein Matrose 4.500 Mark monatlich) und keine Freizeit wegnehmen. „Wir wollen es nur nicht garantieren, daß ein Mann zu Silvester oder Heiligabend frei hat.“ Das Leben würde unbequemer.
Die Arbeitnehmer wollen ein Arbeiten auf Zuruf verhindern. Denn das Geschäft bringt es mit sich, daß der Personalbedarf nicht genau vorhersehbar ist, auch bei feststehenden Fahrplänen. Denn bei größeren Windstärken braucht man bisweilen vier Schlepper, um einen Containerschiffgiganten sicher zu bugsieren, bei Windstille reichen zwei. Neben den jeweils drei Mann auf den Schleppern sitzen immer noch Leute in Reserve an Land, um im Notfall per Handy herbeigerufen zu werden.
Die Fronten zwischen Besatzungen und Reedern sind verhärtet. Eine Schlichtung mit dem Bremerhavener Alt-Oberbürgermeister Karl Willms als Vermittler ist gescheitert. Der Betriebsrat der URAG will in dieser Lage nichts sagen, um kein Öl ins Feuer zu gießen. Denn die Tarifverhandlungen sollen wieder aufgenommen werden. Kapitänen und Matrosen wie auch den Gewerkschaftern ist klar, daß man sich bewegen muß. Wie es hieß, sind durch gesunkene Schlepp-Tarife, die sich an dem eingebrochenen Preisniveau Hamburgs orientieren, bereits 30 Arbeitsplätze an der Weser verlorengegangen.
Die Politik will gegenhalten und Billigkonkurrenz verhindern, wenn auch die Niederlassungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union diesem Ansinnen Grenzen setzt. Noch in diesem Jahr soll die Hafenordnung geändert werden. Mindeststandarts an Sicherheit, Sprach- und Revierkenntnisse der Besatzungen sowie eine Bedienungspflicht für alle Hafenkunden sollen vorgeschrieben werden.
In Hamburg denkt man inzwischen an den Gegenschlag. Die Reederei Schlepper-Fairplay will ihre Flotte um sechs Neubauten erweitern, um Kotug in seinem Heimatrevier Rotterdam anzugreifen.
Joachim Fahrun
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen