piwik no script img

■ Mit Gerstensaft auf du und duBier mit Zusatz

Freiburg (taz) – Seit 1516 wird Bier in Deutschland nach dem „Reinheitsgebot“ gebraut. Einzig erlaubte Zutaten waren Malz, Hopfen, Hefe und Wasser. Dies alles gilt nicht mehr. Im Interesse des freien Warenverkehrs hat die EU die alten Zöpfe abgeschnitten.

Die Demontage des Reinheitsgebots begann im Jahr 1987. Damals stellte der Europäische Gerichtshof (EuGH) fest, daß Deutschland die Schlagbäume auch für solche Biere öffnen müsse, die nicht nach dem Reinheitsgebot gebraut sind. Der Grund: Die Europarichter fanden keine überzeugende gesundheitspolitische Begründung für den deutschen Purismus und werteten diesen als bloßes Handelshemmnis.

Doch die deutschen BiertrinkerInnen waren anhänglicher als erwartet. Auch ohne Konkurrenzschutz hielten sie dem „reinen“ Gerstensaft die Treue. Nach Angaben des deutschen Brauerbundes sind nur 2,3 Prozent des verkauften Bieres importiert. An der Spitze stehen dabei tschechische Biere (Pilsner Urquell, Budweiser) und solche aus den Niederlanden (Heineken).

Doch auch bei den importierten Bieren wird das Reinheitsgebot keineswegs durchgängig mißachtet. Und viele große ausländische Brauereien wie Carlsberg und Tuborg haben hierzulande ohnehin längst eigene Produktionsstätten etabliert und sich dabei den deutschen Sitten angepaßt.

Während bisher hiesige Brauereien gesetzlich an das Reinheitsgebot gebunden waren, gilt seit Jahresanfang eine neue EU-Richtlinie. Darin wurde festgelegt, welche Zusatzstoffe in Bier zugelassen sind und welche nicht. Die Richtlinie, die auch für andere Lebensmittel gilt, ist zwar noch nicht umgesetzt, aber bereits direkt anwendbar. Jetzt dürfen auch deutsche Brauereien rund ein Dutzend chemischer Hilfs- und Konservierungsstoffe zusetzen. Geringe Gaben von Ascorbinsäure etwa verhindern das Dunkeln des Bieres.

Der deutsche Brauerbund hat jedoch seine Mitglieder bereits darauf eingeschworen, auch ohne gesetzliche Verpflichtung das Reinheitsgebot zu beachten. Nur für den Export greifen auch die heimischen SudmeisterInnen hin und wieder auf Hilfsmittel zurück.

Heute dient das Reinheitsgebot vor allem noch für Werbezwecke. Als Trostpflaster hilft dabei auch die EU. In einer Liste der „traditionellen Lebensmittel“ wird unter anderem das gebotsgetreu gebraute Bier erscheinen. Der Nutzen ist eher symbolisch. Christian Rath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen