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Mit neuem Elan

An der HU wächst eine neue Generation selbstbewußter behinderter Studierender heran  ■ Von Kathi Seefeld

Rampen für Rollstuhlfahrer werden zugestellt. Dicht an dicht drängeln sich die Leute in den Fahrstühlen. Behindertenfeindlich ist die Humboldt-Universität (HU) deshalb sicher nicht. Im Vergleich zu anderen Hochschulen wird sogar sehr engagiert gearbeitet. Seit mehr als einem Jahr gibt es einen Behindertenbeauftragten, seit April ein Studentisches Sozialberatungssystem für Studierende, die behindert und chronisch krank sind. Die Zusammenarbeit zwischen Verwaltung, Studentenvertretung und Hochschulleitung könnte offenbar kaum besser sein. Doch Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit herrschen auch hier. Wie vielerorts.

Wer beim Ringen um beste Ausgangspositionen für den Start ins berufliche Dasein nicht zwei gesunde Beine benutzen kann, stößt oft auf Unverständnis. „Bei allem, was wir leisten und leisten wollen, stehen wir unter dem Zwang, uns rechtfertigen zu müssen“, meint Bettina Theben, Jahrgang 1969, von der Interessengemeinschaft behinderter Studierender in Berlin. „Wenn man dann erst einen Job sucht, nimmt dieser Druck noch zu.“

Bettina Theben ist sehbehindert. Die Germanistin, Politikwissenschaftlerin und Philosophin, die zur Zeit in Literaturwissenschaft promoviert und Jura studiert, will sich später mal selbständig machen. Obwohl sie weiß, daß beispielsweise im „Forum behinderter Juristen“ die meisten als Richter tätig sind, nicht etwa als Anwälte. „Doch ich denke, da fallen in naher Zukunft Schranken.“

Denn es tut sich was: Eine neue Generation behinderter Menschen wächst an den Universitäten heran. „Wir sind selbstbewußter. Wir haben nicht mehr irgendwelche Sondereinrichtungen für Behinderte besucht. Und wir haben uns nicht von vornherein auf bestimmte Werkstätten festlegen lassen.“ Natürlich weiß auch Bettina Theben, daß die Suche nach einem Job immer komplizierter wird. Gerade angesichts wachsender Arbeitslosigkeit unter Akademikern. 1990 waren etwa 121.000 behinderte Menschen in Deutschland als arbeitslos registriert. Davon hatten 29.000 einen Fachhochschul- und 39.000 einen Hochschulabschluß.

Die meisten behinderten Absolventen entscheiden sich immer noch, Experten in eigener Sache zu werden. Oder sie schaffen sich ihren Arbeitsplatz selbst. Zum Beispiel in Projekten, die sich „Selbstbestimmt Leben“-Zentren nennen. Viele ergreifen soziale oder behindertenpädagogische Berufe. „Aber muß denn die Behinderung das Leben derart bestimmen, daß ich sie auch noch zu meinem Beruf mache?“ Die Entwicklung an der Humboldt-Universität macht Bettina Theben optimistisch. An der juristischen Fakultät studiert inzwischen in jedem Semester mindestens ein behinderter Studierender.

Es könnten noch mehr werden, wäre da nicht die immer „rigidere Bewilligungspraxis“ von Beihilfen für die Studenten durch die Sozialämter der Stadt. „Durch die Sozialhilfereform ist es für Leute, die nach Berlin ziehen wollen, um zu studieren, und behindert oder chronisch krank sind, fast nicht mehr möglich, selbstbestimmt zu leben“, kritisiert Bettina Theben. Zwar beantragen immer mehr Leute eine „Hilfe zur Pflege“. Doch die Behörden drängen Behinderte immer mehr dazu, in ein Pflegeheim zu ziehen. Das ist billiger.

Wie viele Studierende an der Humboldt-Universität behindert oder chronisch krank sind, ist schwer zu sagen. Ein Großteil der behinderten Studierenden wisse sich selbst gut zu helfen, erläutert Manfred Pragst, Behindertenbeauftragter der Hochschuleinrichtung. Manche kommen erst, wenn sie Rat bei der Suche nach einem Praktikumsplatz brauchen. „Über ein Praktikum finden ja immer noch die meisten ihren künftigen Arbeitsplatz“, so Bettina Theben. „Doch wenn man dem Arbeitgeber gleich erzählt, daß man an manchen Tagen nicht laufen kann, hat sich die Bewerbung oft erledigt. Läßt man es darauf ankommen, geht es garantiert auch daneben.“ Gedankenlosigkeit herrscht eben nicht nur an der Uni.

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