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■ VorschlagMenschen sind auch nur Idole: Pearl Jam in der Deutschlandhalle

In Berlin sah man Pearl Jam zuletzt an der Seite des in vielerlei Hinsicht kolossalen Neil Young. Wie kleine Schuljungen hopsten sie um ihn herum, spielten ihren Part als Begleitband allerdings mit perfider Professionalität. Das war also Pearl Jam!? Von wegen, es fehlte natürlich der eigene Chef-Charismatiker Eddie Vedder.

Diesmal heißt es: Ed is back! Feindbild und Idol, wie es sich für einen vernünftigen Popstar gehört: Einerseits nervt er auf MTV trotz genereller Videoverweigerung mit Political-Correctness-Schwachheiten wie „Artists For a Hate-Free America“, so daß der Pearl- Jam-Tour-Auftakt in Seattle eher an den US-Wahlkampf erinnerte (dem Rolling Stone fehlten nur die Luftballons). Andererseits kann ein Typ, der mit Neil Young befreundet ist und der sich nächtens am Telefon von Henry Rollins raten läßt, gleichmäßig zu atmen und frischen Karottensaft zu trinken, auch nicht schlechter sein als wir alle, hätten wir denn die Chance dazu. Und so kommt man halt doch nicht an Vedder als der zentralen Identifikationsfigur bei Pearl Jam vorbei.

Diese wird mit ihrer Zerrissenheit, ihren Schwächen und Stärken von der Band musikalisch perfekt in Szene gesetzt, genauso, wie es ihr auch bei Neil Young gelang – diesmal nachzuhören auf „No Code“. Das Album zur Tour demonstriert endlich einmal die Vorzüge des oft verspotteten, weil plakativen Einer-für-alle-alle-für- einen-Konzepts von Pearl Jam: Wo Vedder mit so fragilen Gedanken wie „I don't want to think, I want to feel... So how do I feel?“ überhört zu werden droht, rockt die Band kräftig ab (“Hail, Hail!“). Und wenn das wunderbare Gutenachtlied „Around the Bend“ im Kitsch einer Sitar-Country-Instrumentierung unterzugehen droht, rettet Vedder es, indem er sehr entspannt falsch singt – und dadurch genau den richtigen Ton trifft.

Gesang und Musik müssen zwar nach wie vor mit gebrochenem Pathos erst durch eine gewisse spröde Weinerlichkeit gehen, um dann aus diesem Akt der Selbstbehauptung Kraft und Stärke zu beziehen. Aber das alles klappt inzwischen schon erheblich besser, so daß man sich entspannen und auch mal andere Musikrichtungen austesten konnte.

Grau ist alle Theore, entscheidend ist „auf der Bühne“ (in Anlehnung an Ady Preißler). Und wenn Vedder dort den Oberlehrer abgibt, sollten seine Schuljungs nicht davor zurückschrecken, das Klassenzimmer auseinanderzunehmen. Andreas Merkel

Sonntag, Deutschlandhalle, Charlottenburg

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