■ Zur Einkehr: Bei Marché
Für uns Kinder war eine Erfindung mindestens ebenso bedeutend wie die Fußballweltmeisterschaft oder die bemannten Raumflüge: Es war die Erfindung der Selbstbedienungsrestaurants mit so fremdartigen Dingen wie Buffets, heißen Theken oder Waagen an den Kassen. „Bezahlen Sie nach Gewicht“ oder „nach der Tellergröße“ stand da zu lesen, doch das Bezahlen wurde uns erst später zur Last. Eines dieser Selbstbedienungsrestaurants - ein Nachzügler unter den Artgenossen - heißt „Marché“ und hält sich, weil sich's reimt, seit Jahren schon im Keller des „Bremer Carrée“.
Französisch wird dort unten nicht gesprochen, dafür aber bisweilen türkisch, koreanisch oder schwyzerdütsch. Derweil servieren flinke Hände jugendlicher Uniformierter frische Ware, die sie aus den Katakomben heranschaffen. Die sollen übrigens nicht so hübsch dekoriert sein wie die Gaststuben, Sitzecken und Separés, die nach „Wiener Heuriger“ und anderen Fürsten der Finsternis benannt sind.
In der Selbstbedienungszone in der Mitte des weitverzweigten und verästelten Betriebes wird vom Fruchtsaft übers italienische Nudelgericht bis zum Rippchen allerhand feilgeboten, wobei man ein Budget von 15 Mark pro Nase unbedingt einzukalkulieren hat. Das Wesen eines jeden Selbstbedienungsrestaurants läßt sich aber nur an der Salat- und an der Gemüsebar beobachten und studieren. Denn die große Schüssel oder der große Teller, der mindestens 8,10 Mark kostet, will richtig beladen sein. Ganze Türme frischen Essens sollen dem Vernehmen nach schon zur Kasse getragen worden sein, wobei sich heimlich leicht gedrückte Kartoffeln für das Fundament, Karottenscheibchen für die Außenmauern und Champignons für das Gebäudeinnere empfehlen. Wer daran scheitert, ist zu bedauern, denn der erblickt hungrig oder arm das Tageslicht und sehnt sich vielleicht zurück nach den Zeiten, in denen das Bezahlen noch nicht seine Last war. ck
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