■ Das A und O jedes guten Mobiltelefons: die Freischaltung: Das Wunder von der Debitel
Lassen wir einmal die Vorgeschichte weg, wie mein Mobiltelefon sich eines Tages sehr wörtlich nahm und mir während einer Motorrad-Spritztour aus der Tasche fiel. Ich brauchte also ein neues und ging zu Herrn Schellhammer von der Debitel. Daß der Mann so hieß, verriet ein Schild auf einem Schreibtisch, vor dem bereits drei Kunden warteten, schweigsam und geduldig.
Man hörte ihn, bevor man ihn sah. Herr Schellhammer betrat in einer Klingelwolke den Laden, denn nicht nur die beiden Telefone auf seinem Schreibtisch läuteten in einem fort, auch die zwei an seinem Gürtel befestigten Mobiltelefone riefen „wichtig, wichtig, wichtig“, doch Debitel-Verkäufer Schellhammer ignorierte das. Ich war ihm dankbar dafür, daß er statt dessen Kunden um Kunden abarbeitete, mit flinker Hand Aufträge annahm, Formulare ausfüllte, wobei seine Augen flackerten und seine Lunge hyperventilierte.
„In zwei Stunden sind Sie freigeschaltet“, verabschiedete er mich, da wartete schon der nächste. Da war es zum ersten Mal, dieses Wort: freigeschaltet.
Die zwei Stunden verstrichen und auch der nächste Tag, und noch immer gab mein kleines Schwarzes keinen Ton von sich. Ich entschloß mich, Herrn Schellhammer anzurufen. Es klingelte am anderen Ende der Leitung und mir wurde plötzlich klar, daß es zwecklos war, bei einer Telefonfirma anrufen zu wollen. Da muß man wohl schon persönlich vorbeikommen, wenn man etwas möchte. Irgendwie aber tat mir Herr Schellhammer auch leid, und so rief ich, als einen Tag später noch immer die Freischaltung fehlte, die „Hotline“ von Debitel an.
Wer einmal wissen will, was Höflichkeit ist, sollte diese Nummer wählen. So freundlich hat mir noch nie jemand gesagt, daß er mir nicht helfen kann. „Wissen Sie“, sagte eine „Debitel-Hotline – Sie- sprechen-mit-Frau Schüpf – was kann ich für Sie tun?“-Stimme, “freigeschaltet kann man nur werden, wenn auch ein Auftrag dazu vorliegt und den kann ich in Ihrem Fall nicht finden.“
Wie durch ein Wunder gelang es mir am nächsten Tag Herrn Schellhammer ans Telefon zu bekommen. Selbstverständlich habe er den Auftrag weitergeleitet, werde sich nun aber umgehend darum kümmern. Ich hörte nie wieder von ihm, dafür erklärte mir einen Tag später eine Frau Schmitz, der ich meinen Kummer erzählte, sie werde der Sache mit der Freischaltung sofort auf den Grund gehen und mit einem Kollegen sprechen, der aber erst in einer Stunde... Ich hörte schon nicht mehr zu.
Aus den versprochenen zwei Stunden waren nun sechs Tage geworden, und ich wußte mir nicht anders zu helfen, als den Pressesprecher der Debitel, Herrn Doktor Breuer persönlich, anzuwinseln.
Doktor Breuer verstand mich total. Und ich fühlte, wie seine Hand aus dem Hörer heraus mir sanft über den Kopf strich: Persönlich werde er sich um meine Freischaltung kümmern. Und zwei Stunden später rief er mich tatsächlich an, nun könne es nicht mehr lange dauern, „spätestens um 16 Uhr sind Sie freigeschaltet“.
Es wurde 17 Uhr, es wurde Nacht. Wie ein toter Fisch auf dem Land lag mein Protzofon, mein Yuppielutscher, mein kleines wunderschönes Handy stumm und tot auf dem Schreibtisch.
Ich fühlte mich ausgeschlossen, abgeschaltet und sprach ganz leise, immer lauter werdend: „Debitel, du Schalthebel der Freiheit, schalte mich frei, auf daß auch du freigeschaltet wirst und führe mich nicht zur Weißglut ...“, da piepste es.
Ein Menschenrecht ging in Erfüllung. Philipp Maußhardt
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