piwik no script img

Die deutsche Sprache als Heimat

■ Der Autor Levent Aktoprak, Teilnehmer der Lese-Reihe „Literatur von Migranten in Deutschland“, ist heute in Bremen

„Tja, die türkische Sprache“, sagt Levent Aktoprak und schaut verschmitzt in die Runde. „Das ist für mich so eine nette Fremdsprache, in der ich auch mal gern fühle, besonders für zwei Wochen Urlaub im Jahr.“ Meint er das ernst? Schließlich wird der türkische Autor von Max von der Grün „als Wanderer zwischen den Welten“ gelobt und ist zur Reihe „Literatur von Migranten in Deutschland“ eingeladen, die Radio Bremen veranstaltet. Doch der Titel der dreiteiligen Lese-Serie lautet „Da nahm ich Zuflucht zur deutschen Sprache“. Das markiert den Stand der Entwicklung: Die zweite Generation der Ausländerkinder hat sich von den alten sozialen Problemen des „In-der-Fremde-Seins“ mittlerweile entfernt, nun kann die deutsche Sprache Zufluchtsort sein.

Für Levent Aktoprak, der in Ankara geboren wurde und mit vier Jahren nach Deutschland kam, war alles anders. Meist ist es der Vater, der sich aus einer ärmlichen dörflichen Region aufmacht, um als erster in Deutschland sein Glück zu suchen. Nicht so in der Familie Aktoprak. „Meine Mutter siedelte aus der Großstadt Ankara um. Der Vater kam dann nach.“ In den 50er Jahren wehte in Deutschland ein kalter Wind. „Natürlich gab es keinen türkischen Lehrer, der mich unterrichtete und keinen multikulturellen Kindergarten.“ Glück sei es halt gewesen, daß er früh Förderer und Freunde gefunden habe.

Der Weg zur Literatur hätte über den „Werkkreis Literatur der Arbeitswelt“, geführt und nicht über das spezielle Migrantenproblem. Nach der Schule folgte eine Ausbildung als Radiojournalist beim WDR. Er habe als Lokalreporter im Raum Dortmund so etwa alle Themen bearbeitet „vom Verkehrsunfall bis zur literarischen Lesung.“ Bei der Erinnerung ballt der deutsch schreibende Autor impulsiv die Hand zur Faust. Die Boris-Becker-Geste, die zeigt, wie zupackend er mit dem Alltag umgegangen ist. Doch der Liebe zur Literatur hat die journalistische Roßkur keinen Abbruch getan.

„Das liegt bei uns im Blut“, sagt der 37jährige mit der wohlklingenden Stimme. „Mein Großvater schrieb und mein Vater hat auch Gedichte verfaßt.“ Er selbst setzt die Tradition auf seine Weise fort. Auch wenn die Themen bei Levent Aktoprak nicht mehr die „typischen Ausländerthemen“ sind, empfindet er sein Verhältnis zur deutschen Sprache als ein besonderes. Eine starke Sprache, die die Einflüsse der anderen Kultur aufnehmen könne. Die Landschaften klingen in dem Rhythmus seiner Gedichte durch. Ein Einfluß, der der deutschen Sprache schon vor längerer Zeit einmal gut getan hat. „Die Melodie des orientalischen Erzählers hat Goethe schon in seinem West-Östlichen Divan zu imitieren versucht“, weiß Aktoprak mit einem Augenzwinkern einen imposanten Bezug zu finden. rau

Diskussion um 20 Uhr im Überseemuseum: „30 Jahre Literatur von Zugewanderten“. Lesungen: heute um 18.30 Uhr: Suleman Taufiq, Büchergilde Gutenberg. ,Morgen um 20 Uhr liest im Übersee-Museum José Oliver.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen