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„Es ging alles viel zu schnell“

■ Turbulentes Fußball-Spiel wird vorm Bergedorfer Amtsgericht fortgesetzt: Wer hat gegnerischem Trainer den Kiefer gebrochen?

Elfmeter. Und dann auch noch unberechtigt. Oder auch nicht. Jedenfalls war die Empörung unter den Spielern des SC Europa groß. Wütend stürmten sie zum Schiedsrichter, ein paar Zuschauer rannten gleich mit. Fußballer des VfL Lohbrügge stellten sich ihnen in den Weg, unter ihnen ihr Trainer Volker Jäger. Plötzlich lag der Übungsleiter auf dem Spielfeld – Kieferbruch. Doch wer versetzte ihm den Tritt?

„Der war's“, sollte später ein Betreuer der 2. Herren des VfL Lohbrügge sagen und auf Metin G. zeigen. Gestern saß dieser dafür auf der Anklagebank des Amtsgerichts Bergedorf. Gefährliche Körperverletzung wirft ihm die Staatsanwaltschaft vor. Volker Jäger mußte im Krankenhaus behandelt werden. Sechs Wochen war er krankgeschrieben und dazu verdonnert, sich von flüssiger Nahrung zu ernähren.

„Ich war's nicht“, hält Metin G. dagegen und und schildert seine Version der Ereignisse im Oktober 1994: Er ist selbst Spieler des SC Europa, war aber als Zuschauer bei diesem Bezirksligaspiel. Schon in der ersten Halbzeit, so holt er weit und mißmutig aus, habe der Schiedsrichter „merkwürdig gepfiffen“. Ein Mannschaftskollege habe sogar die rote Karte gesehen.

Und dann gab es auch noch den Elfmeterpfiff. Da sahen plötzlich alle rot. Neben ihm sei ein Mannschaftskollege wütend aufgesprungen und Richtung Schiri auf das Spielfeld gestürmt, er selbst, noch ein „Scheiße, jetzt geht es ab“ vor sich hinschimpfend, hinterher.

Am 16-Meter-Raum angekommen, sei schon alles gelaufen gewesen, sagt Metin G. Der Schiedsrichter hätte sich bereits in Sicherheit geflüchtet gehabt. Sein Beschützer Jäger – sich für den Unparteiischen opfernd – war offenbar bereits zu Boden gestreckt. „Der ist doch selber schuld, was hat er denn auf dem Spielfeld zu suchen“, will Metin G. noch laut gerufen haben, der dort als Zuschauer zwar ebensowenig verloren hatte, dafür aber plötzlich als Täter geoutet wurde.

Die vor das Amtsgericht geladenen Zeugen, allesamt Spieler des gegnerischen VfL Lohbrügge, sind sich sicher, daß Metin G. es war, der „hochsprang und Jäger ins Gesicht trat“. Der Trainer selbst hatte allerdings geschildert, daß er zuvor in der allgemeinen Rangelei schon am Boden gelegen hatte und sich gerade wieder aufrichten wollte, als der Schuh mitsamt kräftigem Fuß darin ihn traf.

Darauf angesprochen, halten die Mannschaftskollegen es vor Gericht plötzlich für möglich, daß Jäger schon auf dem Boden gelegen habe und erst dann den Tritt abbekam. Den Sprung, so räumen alle nach längerer Befragung ein, „konnte ich nicht genau sehen, es ging alles viel zu schnell“.

Der Prozeß wird fortgesetzt. Die Fußballkarriere von Metin G. vorerst nicht: Verbandsintern wurde er drei Jahre gesperrt. Elke Spanner

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