: Genossen laben sich an jungem Blut
■ Der SPD-Jugendparteitag nimmt die Rede der Juso-Chefin Andrea Nahles begeistert auf und beschließt Ausbildungsumlage für Betriebe, die keine Lehrstellen anbieten. Das Wahlalter soll auf 16 Jahre gesenkt werden
Köln (taz) – Die Jungsozialisten in der SPD sind auferstanden. Ihre Forderung nach einer Ausbildungsumlage – nur von Teilen der Führungsriege unterstützt – wurde gestern vom Sonderparteitag in Köln mit großer Mehrheit verabschiedet. Die 525 Delegierten sprachen sich auch für die Senkung des Wahlalters von 18 auf 16 Jahre bei Bundestagswahlen aus. Die Juso-Vorsitzende Andrea Nahles hatte zuvor in ihrer Rede mit heftiger Kritik an den Enkeln in ihrer Partei nicht gespart. „Diese Bundesregierung ist auch deshalb noch im Amt, weil wir nicht den Mut aufbringen, offensiv anzugreifen und unsererseits eine klare Alternative in die politische Arena zu werfen.“ Ohne Namen zu nennen, aber mit Seitenhieb auf den niedersächsischen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder, warf sie ihrer Partei einen zu zahmen Umgang mit der Bonner Koalition vor. Die höchste Form von Oppositionspolitik, die sich „einige sozialdemokratische Ministerpräsidenten vorstellen“ könnten, sei „doch die Anrufung des Vermittlungsausschusses“, so Nahles.
Nach dem SPD-Modell sollen Unternehmen ohne Lehrlinge künftig eine Ausbildungsabgabe zahlen. Mit dem Geld sollen zusätzliche Lehrstellen geschaffen und ausbildende Betriebe gefördert werden, um jedem Jugendlichen einen Ausbildungsplatz zu garantieren.
Für eine solche Abgabe hatten sich SPD-Chef Oskar Lafontaine und Fraktionsvorsitzender Rudolf Scharping eingesetzt. Sie warfen den Unternehmern vor, sie entzögen sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zur Ausbildung der jungen Generation und entließen sie in die Arbeitslosigkeit. Dagegen warnten NRW- Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und andere SPD-Wirtschaftspolitiker vor einer zusätzlichen Abgabe.
Niedersachsens Ministerpräsident Schröder plädierte unter Buhrufen der Delegierten für eine Zusammenarbeit mit Unternehmen, Kammern und Gewerkschaften, um auch künftig genügend Ausbildungsplätze bereitzustellen. Das Handwerk würde sich einer Umlage verweigern, große Unternehmen eher freikaufen. „Laßt uns die Finger davon lassen.“
In ihrer Rede lobte Andrea Nahles ausgiebig Lafontaine, mit dem sie sich die Bälle zuspielte. „Lieber Oskar, du hast dich in den letzten Monaten darum bemüht, der Ideologie des verhängnisvollen Wettlaufs der Standorte die Logik einer Alternative entgegenzustellen. Nur eine Partei, die Visionen formuliert, kann begeistern.“ Der revanchierte sich, indem er gleich mehrere Juso-Forderungen den älteren Genossen unter den 525 Delegierten nahelegte. Ob beim Thema Einstieg in den solaren Umbau der Gesellschaft oder bei der Ausbildung, Oskar Lafontaine ging auf Nahles ein, gab ihr recht, griff das Wort „Ausbildungsoffensive“ der Jusos auf, das im Leitantrag der SPD fehlte. Selbst als Andrea Nahles am Sonntag abend die Freigabe von weichen Drogen gefordert hatte, stimmte ihr Lafontaine zu. Lafontaine verlangte eine neue Offensive in der Bildungspolitik. Die Bonner Koalition habe in ihren 14 Regierungsjahren einen systematischen Abbau in diesem Bereich betrieben. Deutschland sei bei den Bildungsausgaben unter den Industriestaaten auf einen der letzten Plätze zurückgefallen. Die SPD müsse dieser Entwicklung entschlossen entgegentreten und dürfe dabei den Rezepten der Konservativen nicht auf den Leim gehen. Lafontaine erteilte Studiengebühren eine klare Absage und betonte, die SPD halte an der Idee der Gesamtschule unbeirrt fest. Er verlangte eine „radikale Umkehr“ in der Wirtschafts- und Finanzpolitik, um die Arbeitslosigkeit abzubauen, und bekräftigte den Widerstand der SPD gegen die Atomenergie. Markus Franz Seite 4
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