piwik no script img

■ Gysi kritisiert den kulturellen Konservatismus der PDSLeiden an der Partei

Joschka Fischer ist von den Diskussionen seiner Partei genervt und hat sich Anfang der Woche in die Toskana verzogen. Gregor Gysi geht es mit der PDS ähnlich, er hat sich seinen Frust aber lieber in einem Beitrag für das Neue Deutschland von der Seele geschrieben. Manch einer mag in diesem feinen Unterschied das kulturelle Problem der PDS schon hinreichend beschrieben sehen, aber man kann den Vergleich auch so lesen: Die klügsten Köpfe leiden unter ihrer Partei immer am meisten.

Daß Gregor Gysi an der PDS leidet, hat persönliche, vor allem aber politische Gründe. Er sieht seine Partei zu einem Verein verkommen, in dem sich immer mehr Wichtigtuer und Selbstdarsteller tummeln. Die PDS, so Gysi, verschleudert ihr Potential, weil ihr offensichtlich innerparteiliche Scharmützel wichtiger sind als politische Grundfragen. Immer häufiger macht er den kulturellen Konservatismus seiner Partei dafür verantwortlich. Und dabei ist noch das geringste Problem, daß die kollektivistisch geprägte PDS einerseits autoritätsfixiert ist und andererseits ihren Führungsfiguren gern die Gefolgschaft verweigert. Gysi hat mit all dem recht, auch wenn er versäumt, zu sagen, gegen wen genau sich seine Vorwürfe richten. Eines jedoch benennt Gysi aus gutem Grund nicht: Er ist selbst ein Teil dieses Problems.

Das zeigt sich schon an der Art, wie er mit seinem Problem umgeht. Knapp zwei Monate vor dem Parteitag präsentiert er sich dünnhäutig und setzt seine Partei unter moralischen Druck: Ich bin nicht unersetzbar, sagt er, wohl wissend, daß die meisten PDS- Mitglieder alles mögliche wollen, nur das nicht – ihre Führungsfigur zu verlieren. Gysi wird sich auf diese Weise in Fragen, die für den Parteitag unmittelbar von Belang sind – zum Beispiel bei der Änderung des Statuts –, durchsetzen. Aber er bedient damit genau jene Autoritätsfixierung, die er kritisiert.

An diesem Zustand der PDS sind Bisky, Gysi und andere „Reformer“ nicht unschuldig. Viel zu lange haben sie die Partei als Gemischtwarenladen treiben lassen – aus Angst vor harten Auseinandersetzungen und aus guten Gründen. Sie wußten, daß das linke, junge, freche Image der PDS nur auf dem Boden ihrer zumeist konservativen, grauen und fleißigen Basis blühen konnte. Die PDS ist mehr als eine Partei (oder weniger?), sie ist ein Lebensgefühl: PDS gleich Osten. Dieses Ungefähre, dieses Richtungslose, diese ideelle und kulturelle Vielfalt werden der Partei noch eine ganze Weile helfen, da sollte sich im Westen keiner falschen Illusionen hingeben. Aber es behindert die PDS dabei zunehmend, eine moderne, linke Partei zu werden. Und Gysi weiß das. Jens König

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen