: Wirtschaften ohne Boß
Immer mehr Frauen gründen eine eigene Firma. Beratungen gibt es en masse, manche Vorbehalte gegenüber Unternehmerinnen auch■ Von Kathi Seefeld
Gerda Plate und Inge Schaßberger haben sich selbständig gemacht. Eines Tages wollten sie weg von jenem Maklerbüro, in dem sie seit Jahren gemeinsam arbeiteten. Dort kamen sie einfach nicht mehr weiter. „Wir merkten, daß das, was wir dort taten, genausogut ohne Chefs und nur mit uns laufen würde“, sagt Gerda Plate. Die beiden gründeten „Fair Ladies“ und zogen als eines der ersten Unternehmen in das Existenzgründerinnenzentrum „Weiberwirtschaft“. Seit gut drei Jahren beraten sie vor allem Frauen in Versicherungsfragen. „Für den Start haben wir auf Erspartes zurückgegriffen und viel Unterstützung von unseren Männern erfahren.“ Schnelles Geld wie viele ihrer Berufskollegen wollten die beiden Frauen, 40 und 36 Jahre alt, nicht machen. „Die Kundinnen kommen, weil es sich rumspricht, daß sie hier sehr gut beraten werden“, sagt Gerda Plate. Zum Beispiel darüber, was in einer Haftpflichtversicherung alles nicht enthalten ist.
Drei bis fünf Jahre, schätzten die Maklerinnen, würden sie brauchen, bis die Geschäfte gut laufen. Eine überschaubare Zeit für die Erfüllung einer Lebensidee. Seit dem 1. November beschäftigen sie eine Bürokraft. Es gehe voran, was wolle man mehr, auch ohne Existenzgründungsförderungen – „die hätten wir in unserer Branche sicher nicht erhalten“ – und ohne Kredite sowieso. „Man kann sein Büro nämlich preiswert und trotzdem richtig nett einrichten“.
Ein paar hundert Meter weiter, im Hinterhaus, liegt das Büro von Anja Isensee. Nach ihrer Lehre als Malerin begann die 27jährige, in Potsdam an der Fachschule für Werbung und Gestaltung zu studieren. Dann kam, wie sie sagt, „die Wendezeit dazwischen“. Ihr Delegierungsvertrag von der Defa, der ihr eine Rückkehr und einen Arbeitsplatz nach dem Studium garantiert hätte, „war damit erledigt“. Auch eine ABM bei der Denkmalpflege ergab für die junge Frau wenig Perspektivisches. „Eigentlich sah ich nur noch die Chance, es mit dem Gang in die Selbständigkeit zu versuchen.“ Gemeinsam mit einer Kommilitonin gründete sie „Hals über Kopf“ eine kleine Firma, die Farb- und restauratorische Voruntersuchungen im Bauwesen anbietet. Ihr erster Auftrag, eine Farbgestaltung im Untersuchungsgebiet Adlershof, brachte Pluspunkte für den guten Ruf. „Seitdem leben wir von Weiterempfehlungen“, schätzt Anja Isensee.
1992 hat Anja Isensee mit einer Partnerin ein kleines Büro angemietet, später einen Computer und ein Mikroskop, „das dann schon eine fünfstellige Summe kostete“, angeschafft. „Wir machen alles nach und nach, ohne Kredite.“ Auch über Fördermittel wurde nie nachgedacht. Vor drei Wochen zogen sie in der „Weiberwirtschaft“ in neue, große Räume. Aufträge kommen vor allem aus dem Brandenburger Umland. „Es läuft nicht schlecht“, schätzt die junge Unternehmerin. Vielleicht könnte es auch besser laufen. Für Anja Isensee zählt vor allem die Freude an ihrer Arbeit, über die sie allein entscheiden kann, und es zählt, der Arbeitslosigkeit entgangen zu sein.
Zwei Beispiele für Frauen, die heute als Freiberufler- oder Unternehmerinnen im Berufsleben stehen. Und davon gibt es immer mehr. Genaue statistische Angaben über die Zahl der Existenzgründerinnen in den vergangenen Jahren existieren nicht. Die Bundesregierung geht davon aus, daß etwa jedes dritte Unternehmen inzwischen von einer Frau gegründet wird. Vorwiegend im Handel und Dienstleistungsbereich. „Von der Verwirklichung ihres großen Traumes bekommt man dieser Tage allerdings nichts mehr zu hören“, bedauert Ute Skrzeczek, Leiterin des Berliner Beratungsprojektes „Akelei“. Frauen, die bei dem Projekt Unterstützung auf dem Weg in die Selbständigkeit suchen, kämen fast nur noch aus den Reihen der Arbeitslosen. „Die meisten sind Akademikerinnen, ohne Chancen auf dem ersten und zweiten Arbeitsmarkt.“
Bei „Akelei“ erhalten sie das nötige Rüstzeug, lernen, über Unternehmenskonzepte nachzudenken, Finanzierungspläne zu erstellen, Marktpotentiale zu erkennen und sich besser zu verkaufen. Dennoch stoßen Frauen, die sich selbständig machen wollen, besonders bei den Banken immer wieder auf enorme Vorurteile. „Wir hatten mit einigen Existenzgründerinnen zu tun“, berichtet Gerda Plate von den „Fair Ladies“, „die keine kleinen Kredite bekamen, die Unterschriften von ihren Männern erbringen mußten oder denen empfohlen wurde, sich als Gegenwert wenigstens ein neues Auto zu kaufen.“ Probleme, die auch Ute Skrzeczek sieht. Weibliche Existenzgründerinnen hätten aufgrund der Branchenspezifik nicht nur einen geringeren Investitionsbedarf, „sie gehen grundsätzlich lieber kleiner ran“. Von der Vorstellung, nicht reich werden zu wollen, sollten sich jene Frauen jedoch trennen, empfiehlt die „Akelei“- Beraterin. „Wer ein Unternehmen gründet, muß auch darauf aus sein, es zu erweitern, Arbeitsplätze zu schaffen und Verantwortung zu übernehmen.“ Bei zu kleinen Kreditwünschen würden die Banken von fehlenden Unternehmenskonzepten und damit vom Verlust auch der relativ geringen Summen ausgehen, der Kredit also abgelehnt. Daß Frauen so wie die „Fair Ladies“ oder Anja Isensee versuchten, auch ohne die Banken auskommen, werde zunehmend seltener.
Spezielle Förderungen, die im Rahmen von Programmen der Europäischen Gemeinschaft ausschließlich Frauen auf dem Weg in die Selbständigkeit unterstützen sollten, gibt es seit Ende vergangenen Jahres nicht mehr. Auch die 202 Frauen und 405 Männer, die noch im ersten Quartal dieses Jahres Anträge auf eine Existenzgründungsprämie beim Berliner Senat gestellt hatten, gingen leer aus. Das Programm ermöglichte für maximal zwei Jahre eine Aufstockung der Mittel um 2.000 Mark im Monat. Nun wurde es ersatzlos gestrichen, obwohl eine Repräsentativbefragung zeigte, daß ein Jahr nach Auslaufen der Förderung noch 95,4 Prozent der mit einer Prämie unterstützten Existenzgründungen Bestand hatten.
Angebote, die die Eigenkapitaldecke sowohl von Existenzgründern als auch von -gründerinnen stärken können, sind dagegen nach wie vor zu haben. So besteht die Chance, über die Eigenkapitalhilfe Kredite von bis zu 700.000 Mark zu bekommen mit 20jähriger Laufzeit, günstigen Zins- und Tilgungskonditionen. Besonders der Mindestförderbetrag von 5.000 Mark kommt den Interessen von Frauen entgegen und unterstütze kleine Vorhaben.
In den neuen Bundesländern gewähren Geldinstitute nach wie vor ERP-Kredite in Höhe von bis zu zwei Millionen Mark. Mittelstandsdarlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder Existenzgründungsprogramme der Deutschen Ausgleichsbank können auch in Anspruch genommen werden. Und wer arbeitslos war, kann für einen gewissen Zeitraum vom Arbeitsamt ein Überbrückungsgeld beziehen. „Was für einen das Beste ist“, rät Ute Skrzeczek, „darüber sollte man sich auf jeden Fall informieren.“
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