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Weihnachtsgeschenk für Mauss

■ Kommt der dubiose Agent noch vor Weihnachten frei? Sein Anwalt Wenzel entdeckt Gesinnungswandel in Kolumbien

Berlin (taz) – Werden der Multiagent Werner Mauss und seine Ehefrau Ida bald in Deutschland ihren vorweihnachtlichen Einkauf machen können? Seit der Verhaftung des Paares am 17. November durch kolumbianische Behörden bemühen sich nicht nur die Bundesregierung, sondern auch alte Freunde um die baldige Freilassung des Paares. Mauss' langjähriger Rechtsanwalt Karl Egbert Wenzel ist hoffnungsvoll: Da sich die Situation in Kolumbien „wesentlich“ geändert habe, rechne er damit, daß sein Mandant „in Kürze in Deutschland sein wird“. Möglicherweise werde dies schon „nächste Woche“ sein, erklärte der Stuttgarter Anwalt gegenüber der taz.

Als Indiz für einen Stimmungswandel wertete Wenzel Erklärungen des kolumbianischen Gouverneurs der Provinz Antioquia, Alvarez Uribe: Dessen bislang harte Haltung scheine sich in den letzten Tagen „doch etwas gewandelt zu haben“. Das Ehepaar Mauss war auf dem Flughafen Medellin, der zum Einflußgebiet von Uribe gehört, verhaftet worden, als es Brigitte Schoene, die Ehefrau eines Ex-BASF-Managers, außer Landes bringen wollte.

Uribe hatte vor wenigen Tagen erklärt, der Fall Mauss sei keine Staats-, sondern ein Polizeiangelegenheit. Eine Aussage, die offenbar als Entschärfung des innenpolitischen Streits um Mauss gewertet wird. Wenzels Einschätzung steht allerdings im Gegensatz zu jüngsten Meldungen aus Kolumbien: Mauss, so meldete ein Rundfunksender mit Hinweis auf vertrauenswürdige Quellen, soll die Entführung Schoenes durch die ELN selbst angestiftet haben. Unterdessen stellten 22 Senatoren einen Mißtrauensantrag gegen Innenminister Horacio Serpa, der Mauss im Juli vergangenen Jahres in Deutschland getroffen hatte. Darüber müssen nun Senat und Abgeordnetenhaus in den kommenden zehn Tagen entscheiden.

Inwiefern die Ankündigung des Anwalts Wenzel realistisch ist, ist schwer einzuschätzen. Daß der 56jährige Ex-BND- und BKA- Agent Mauss in der Vergangenheit inkognito blieb, ist nicht zuletzt auch ein Verdienst des Rechtsprofessors: Als etwa die Stuttgarter Staatsanwaltschaft im Auftrage Schweizer Behörden Mauss im Dezember 1991 zum Tod des schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel befragte, geschah dies in Wenzels Kanzleiräumen. Auch ein anderer alter Bekannter ist für Mauss wieder aktiv: Mit dem Rechtsanwalt Dr. Abraham Casallas Alejo zitierte die kolumbianische Presse zuletzt einen Mann, der Mitte der 80er Jahre für Mauss windige Geschäfte mit der deutschen Mannesmann AG in Kolumbien tätigte.

Mauss, der für die Freilassung von Brigitte Schoene der kolumbianischen Guerilla ELN rund 1,8 Millionen Mark Lösegeld gezahlt haben soll, sitzt derzeit in einem Hochsicherheitstrakt ein, seine Frau in einem Stadtgefängnis. Woher das Lösegeld kommt – Schoenes Ehemann dementierte, das Geld gezahlt zu haben – und wie Mauss in den Besitz zahlreicher deutscher Pässe mit Decknamen kam, ist nach wie vor ungeklärt. Erhellt werden soll der Fall am 11. Dezember in der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) des Bundestages. Der bündnisgrüne Geheimdienstsprecher Manfred Such möchte vor allem wissen, ob sich die Unterstützung für Mauss auf den Geheimdienstkoordinator der Bundesregierung, Bernd Schmidbauer, beschränkte oder auch Bundeskanzler Helmut Kohl eingeweiht war.

Wegen der kolumbianischen Auskunftsfreude mußte Bonn zähneknirschend in den letzten Tagen eingestehen, daß Schmidbauer Mauss mehrmals traf und dabei auch Friedensgespräche mit der ELN-Guerilla sondierte. Unterdessen setzt Bonn auf sanften Druck. In einem von der Zeitung El Espectador zitierten Bonner Schreiben wurden kolumbianische Staatsanwälte ermahnt, daß Gespräche mit der Guerilla nur zum Erfolg führen könnten, wenn diese auch „vertraulich“ blieben. Severin Weiland

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