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Aufräumen nach dem mobilen Totalangriff

Masterplan City-West: „Zäsuren“ im Stadtgebiet werden rückgebaut. Straße durch TU-Campus  ■ von Rolf Lautenschläger

Die City-West rückt zusammen. Nach den Vorstellungen des Masterplans soll die Innenstadt zwischen Charlottenburg und Potsdamer Platz dichter werden, mehr Wohnungen aufnehmen und an das östliche Zentrum heranwachsen. Die Autoren des Masterplans für die City-West, Fritz Neumeyer und Manfred Ortner, haben sich zum Ziel gesetzt, diese Orte „in den Kontext der Stadt zurückzuholen“ – mit den Mitteln der Vernetzung, des Rückbaus von Straßen und Plätzen sowie großflächiger Neuplanung von Quartieren, deren Form an die bestehende City-West-Struktur anknüpft.

Während die östliche Innenstadt von Maßstabslosigkeiten und Fragmenten gekennzeichnet ist, hat die City-West eine urbane Struktur bewahrt. Zwischen dem Bahnhof Zoologischer Garten und Schöneberg oder südlich und nördlich des Kurfürstendamms und entlang der Kantstraße findet sich ein dichtes städtebauliches Gerüst von Straßen und Plätzen, funktionierenden durchmischten Vierteln und Quartieren sowie öffentlicher und privater Kultureinrichtungen.

Problematisch sind laut Staatssekretär beim Senator für Stadtentwicklung, Hans Stimmann, „die unüberwindlichen Zäsuren“, „Brüche“ und breiten Verkehrsschneisen, die die Planungen der fünfziger und sechziger Jahre in der City-West hinterlassen haben: An der Urania und Schillstraße, am Hardenbergplatz und Gleisdreieck, im Charlottenburger Spreebogen und Kulturforum, am Busbahnhof Fasanenstraße und dem Klingelhöfer Dreieck.

So sieht der Masterplan eine Bebauung mit Wohn- und Geschäftshäusern für eine „Spreestadt“ im Charlottenburger Spreebogen vor, die mit Blöcken zu einem neuen Stadtquartier umgestaltet wird. Gleichzeitig schlägt der Entwurf die Überbauung des Busparkplatzes hinter dem Bahnhof Zoo vor. Aber statt, wie einmal geplant, die Fläche für die Technische Universität zu reservieren, soll dort ein weiteres Büroviertel entstehen. Und schließlich plädieren Neumeyer und Ortner für die Verdichtung der Verkehrstrassen Lietzenburger Straße, An der Urania, der Schillstraße bis zum Kulturforum.

„Dieses Gebiet“, analysiert Stimmann, „ist von einem verkehrsplanerischen Totalangriff betroffen, weil hier die hochliegende Stadtautobahn der Südtangente vorgesehen war. Die Spuren dieser Planung bilden bis heute eine unwirtliche Barriere zwischen Charlottenburg, Schöneberg und dem Kulturforum.“ Erst wenn es gelänge, diese Schneisen durch städtebauliche Maßnahmen zu reparieren, könnte etwa das Kulturforum seine ursprünglich zugedachte Rolle als Verbindung zwischen dem historischen Zentrum und der City-West wahrnehmen.

Doch genau hier beginnen die Schwächen des westlichen Masterwerks: Statt nach der Funktion und Nutzung zu fragen, sollen aneinandergereihte Häuschen und neue Straßen für Urbanität sorgen. So kritisiert Charlottenburgs Baustadträtin Beate Profé, der Plan frage nur „wo gebaut werden muß, damit die Stadt städtisch aussieht. Er fragt aber nicht, welche Häuser Schulen, Kitas, Büros oder Grünflächen brauchen wir.“ Ein „Bild von Stadt“ wird auch dem Bereich zwischen Breitscheidplatz und Bahnhof Zoo übergestülpt, das mit dem Ort wenig gemein hat. So entwarfen die Planer ein Hochhaus neben dem Bikini-Haus und eine Randbebauung um den Hardenbergplatz, hinter der der Zoo verschwindet. Zugleich führen sie eine neue Straße quer über den Campus der TU, damit das Gelände am Busbahnhof erschlossen werden kann – „ein Unding“, lautete dazu der Kommentar aus dem Hause des Bau- und Verkehrssenators.

Außerdem wollen die Planer die Kantstraße am Hardenbergplatz mit einer „großstädtischen Passage“ zur Sackgasse verwandeln und weitere Passagen durch das Europa-Center fräsen. Der zugige Ort rund um die Gedächtniskirche soll Shopping-Mall und Piazza in einem werden: „Ist Berlin Rom?“ fragte ein Teilnehmer des Stadtforums am vergangenen Freitag, auf dem der Masterplan vorgestellt wurde.

Trotzdem: Die Entscheidungen, die Innenstadt weiterzubauen und zu verdichten – und dabei ohne Abrisse neue Wunden zu schlagen –, der Rückbau von Straßen und die Weiterentwicklung der historischen Struktur der Stadt bilden die Stärken der Masterplanung. Wie und für wen sie realisiert werden, steht in der Debatte nun an.

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