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■ PDS muß bei der DDR-Bewältigung von vorn anfangenDie Nostalgiefalle

Die PDS hat – wieder einmal – über die DDR und die Auseinandersetzung mit ihr diskutiert. Das Ergebnis ist – wieder einmal – von kaum zu überbietender Aussagekraft. Die Partei möchte, so sagen die 30 Bundestagsabgeordneten einstimmmig, ihre kritische Distanz zur DDR deutlicher machen. Sie sei aber „weder bereit, die Geschichte der DDR zu glorifizieren, noch, sie wegzuwerfen“. Na, ist doch schön, das kann wenigstens jeder unterschreiben. Fehlt eigentlich nur noch das Bekenntnis: „Wir sind für den Frieden“. Aber auch so erreicht die Erklärung ihren Zweck: Manfred Müller, der mit seiner Kritik den Anstoß für diese Diskussion gegeben hatte, muß nicht aus der PDS-Bundestagsgruppe austreten. Alles wird gut, Genossen.

Aber nichts wird besser. Es ist zwar nicht so, daß sich die PDS mit der DDR nicht auseinandersetzen würde. Sie tut es in einem Maße wie keine andere Partei. Aber sie tut es inhaltlich nur noch halbherzig, wenn überhaupt. Ihre Erklärungen werden immer selbstverständlicher und damit auch immer banaler. Sie wirken so seltsam ursprünglich, als müßte die Parteiführung ihren Mitgliedern immer wieder klarmachen, daß die DDR gescheitert ist. Gysi, Bisky, Brie und andere scheint irgendwie das Gefühl zu beschleichen, bei der Auseinandersetzung mit der DDR-Vergangenheit so gut wie nichts erreicht zu haben und deswegen wieder von vorn beginnen zu müssen.

Schuld daran hat die PDS selbst, auch wenn das politische Klima in diesem Land für eine differenzierte Sicht auf die DDR lange nicht gerade hilfreich war. Aber die Auseinandersetzung der Partei mit der DDR-Vergangenheit war von Anfang an halbherzig, wenn sie auch in den ersten zwei Jahren ehrlich gemeint war. Danach nahm sie ab, und später, als der Slogan lautete: „Meine Biographie beginnt nicht erst 1989“, nahm die Identifikation mit der DDR als sozialem Gebilde – nicht mit der DDR als sozialistischem Projekt – wieder zu. Der Slogan verbaute für viele PDS-Mitglieder den Weg zu einer kritischen Selbstbefragung. Der Stalinismus, den die Partei immer kritisiert hatte, wurde plötzlich anonym. Da konnte es dann auch keine Täter und keine Opfer mehr geben. Schuld an der Mauer, am Schießbefehl, an Bespitzelung und Unterdrückung waren alle und keiner. Der Kollektivismus hatte die PDS wieder.

Die Reformer in der Partei haben diese Nostalgie nicht gewollt, aber geduldet, weil sie ihnen half, aus der PDS ein Identifikationsobjekt für den Osten schlechthin zu machen. Jetzt fällt ihnen diese Nostalgie auf die Füße. Daran kann keine noch so gut gemeinte Erklärung mehr etwas ändern. Jens König

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