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Milošević hat weiche Knie

■ Die serbische Regierung will den Sieg der Opposition in Belgrad und drei anderen Städten anerkennen. Die Opposition lehnt dies ab und setzt ihre Proteste fort

Wien/Belgrad (AFP/dpa/taz) – Die serbische Führung hat im Streit um den Ausgang der Kommunalwahlen ein wenig eingelenkt. Sie erkannte in einem Schreiben an die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Sieg der Opposition in Belgrad und in drei weiteren Städten an. Zugleich bestritt sie aber den von der OSZE konstatierten Oppositionssieg in zehn weiteren Städten. Das Schreiben an die OSZE wurde vom jugoslawischen Außenminister Milan Milutinović unterzeichnet. Er sprach darin der Opposition den Sieg in 9 der 16 Wahlbezirke von Belgrad sowie in Uzice, Kragujevac und Zrenjanin zu.

Der dänische Außenminister Niels Helveg Petersen als amtierender Ratspräsident der OSZE hat sich in einer ersten Reaktion unzufrieden über den Brief aus Belgrad geäußert. Petersen, dessen Land den OSZE-Vorsitz innehat, sagte, der serbischen Regierung müsse klar sein, daß das Land die gewünschte internationale Anerkennung nur bei voller Anerkennung demokratischer Prinzipien erhalten werde.

Oppositionsführer Vuk Drasković bewertete den Brief als eindeutige Ablehnung der OSZE-Forderungen. Vor einigen zehntausend „Zajedno“-Anhängern auf dem Belgrader Platz der Republik, der von Polizeikräften umstellt war, sagte er: „Mit dieser Antwort will Milošević die Selbstisolierung seines verbrecherischen Regimes und die weitere Ausbeutung des Volkes erzielen.“

Das Oppositionsbündnis Zajedno beschloß gestern, alle Abgeordneten aus dem serbischen Parlament abzuziehen. Drasković kündigte auch eine Aktion „Blockade gegen die Blockade“ an, mit der die Polizeiblockaden von den Belgrader Straßen entfernt werden sollen. Einzelheiten nannte er nicht. Er rief die Belgrader zu neuen Protesten für Samstag nachmittag auf.

Gegen den Wahlbetrug waren in den vergangenen sechs Wochen täglich Zehntausende Menschen in Belgrad auf die Straße gegangen. Die zunächst nur gegen die Wahlannullierung gerichteten Proteste wandelten sich schnell in Proteste gegen Milošević und seine Regierung.

Milutinović bezeichnete die OSZE- Mission im vergangenen Monat als „nützlich und positiv“. Die Delegation unter Leitung des früheren spanischen Regierungschefs Felipe González hatte nach Prüfung aller Unterlagen die Opposition in 14 der 18 großen Städte Serbiens zum Wahlsieger und die Annullierung der Ergebnisse für Unrecht erklärt.

Die OSZE trat gestern nachmittag in Wien zu Beratungen zusammen. Die USA hatten die OSZE zur Verurteilung Serbiens aufgefordert, falls Belgrad die Wahlergebnisse nicht anerkenne. Milutinović äußerte in seinem Schreiben zugleich die Hoffnung, daß Jugoslawien schnellstmöglich wieder OSZE-Mitglied werde. Jugoslawien besteht aus Serbien und Montenegro. Seine OSZE-Mitgliedschaft ist seit 1992 ausgesetzt.

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