: Richter: Tansu Çiller im Drogengeschäft
Frankfurter Landgericht beschuldigt türkische Außenministerin, beste Kontakte zu Heroinhändlern zu haben. Ankaras Botschafter in Bonn beschwert sich bei Außenminister Kinkel ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren
Für den türkischen Botschafter in Bonn, Volkan Vural, ist es „ein Skandal“, nach Ansicht seines Vorgängers und jetzigen Sprechers des türkischen Außenministeriums, Onur Öymen, eine „Beschädigung“ des „nationalen Stolzes“ der Türkei. Anlaß der Empörung bildet ein Urteil des Frankfurter Landgerichts gegen drei Drogenhändler. Im Anschluß an die Verurteilung eines Belgiers, eines Italieners und eines Türken wegen Heroinschmuggels zu längeren Haftstrafen am Dienstag hatte der Richter die türkische Regierung beschuldigt, den Drogenhandel zu decken. Gestern intervenierte der türkische Botschafter in Bonn bei Außenmister Klaus Kinkel, das türkische Außenministerium übermittelte dem deutschen Botschafter in Ankara eine Protestnote.
Der Vorsitzende der 17. Strafkammer des Frankfurter Landgerichtes, Rolf Schwalbe, hatte gesagt: „Der Heroinhandel von der Türkei nach Deutschland wird von den Familien Senoglu und Baybasin in Istanbul beherrscht, deren Drogenhandel von der türkischen Regierung gedeckt wird.“ Beide Familien verfügten über „exzellente Verbindungen zur Regierung und über persönlichen Kontakt zu einer Ministerin“. Auf Nachfrage nannte der Richter den Namen von Außenministerin Tansu Çiller. Der Berichterstatter der Kammer, Richter Dox Veveling, erklärte gestern, das Gericht stütze sich auf Ermittlungen des Landeskriminalamtes Niedersachsen. Richter Veveling räumte ein, daß das Urteil politische Verwicklungen nach sich ziehen könne: „Das kann passieren.“
Die Türkei bemängelt unterdessen, das Gericht habe zu keinem Zeitpunkt türkische Behörden um Hilfe ersucht und sich im Urteil ausschließlich auf Aussagen der Angeklagten gestützt. Die Beschuldigte Außenmisterin Tansu Çiller gab sich laut türkischen Presseberichten „verwundert“. Die Namen der Verurteilten höre sie „zum ersten Mal“.
Tatsächlich decken sich jedoch die Ermittlungsergebnisse des Landeskriminalamtes Hannover mit Enthüllungen in türkischen Medien. Heroinhändler Baybasin hatte den ehemaligen Innenminister und Çiller-Vertrauten Mehmet Agar schwer belastet. Mittlerweile ist es erwiesen, daß Agar den von Interpol gesuchten Killer und Heroinhändler Abdullah Catli mit Diplomatenpaß und Polizeiausweis ausstattete. Catli starb vor über zwei Monaten bei einem Verkehrsunfall. Im selben Fahrzeug befanden sich ein hochrangiger Polzeifunktionär und der Abgeordnete Sedat Bucak. Bucak, Angehöriger von Çillers konservativer „Partei des rechten Weges“, wird ebenso wie Agar weiterhin von Çiller gedeckt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß in Ankara untersucht derzeit die Beziehungen von Mafia, Polizei und Politik. Seit über zwei Monaten wird in den türkischen Medien schweres Belastungsmaterial gegen Familie Çiller publiziert. Neben Korruption geht es um Mord, Verwicklung in Heroingeschäfte und Geldwäsche in Spielcasinos.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen