: Alt-AKW läuft weiter
■ Bundesverwaltungsgericht erklärt Betrieb von Obrigheim für rechtmäßig
Frankfurt/Main (taz) – Das Bundesverwaltungsgericht in Berlin hat die nachträglich erteilte Betriebsgenehmigung für das AKW Obrigheim gestern für rechtmäßig erklärt. Damit kann der älteste Atommeiler der Republik, gegen den drei BürgerInnen und die Stadt Heidelberg geklagt hatten, am Netz bleiben. Die Entscheidung der Bundesverwaltungsrichter hat grundsätzlichen Charakter, weil die Hauptprobleme bislang nicht höchstrichterlich geklärt waren.
Mit der gestern verkündeten Entscheidung hat der 11. Senat am Bundesverwaltungsgericht ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofes in Mannheim vom März 1995 korrigiert. Die Verwaltungsrichter in Baden-Württemberg hatten den Klagen gegen das AKW stattgegeben, denn die Genehmigungsbehörde habe es 1992 unterlassen, für die Anlagensicherheit wichtige Fragen hinreichend zu klären. 1992 hatte die damaligen CDU/SPD- Landesregierung in Baden-Württemberg das Betreiben des ältesten Atomkraftwerks in Deutschland genehmigt. Die Richter entschieden, das Land habe als Genehmigungsbehörde etwa ein Betriebsreglement für das AKW zugelassen, ohne das sogenannte Notfallhandbuch in die Prüfungen mit einzubeziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Urteil jetzt aufgehoben und die Klagen abgewiesen. Die von den Klägern beanstandeten sicherheitstechnischen Defizite, so heißt es in der Urteilsbegründung, seien lediglich Probleme des Atomaufsichtsrechts. Die 1992 nachträglich erteilte Dauerbetriebsgenehmigung werde davon nicht tangiert. Mit dem Urteil der Bundesverwaltungsrichter steht allerdings auch fest, daß das knapp 30 Jahre alte AKW offiziell erst seit vier Jahren mit einer ordentlichen Betriebsgenehmigung läuft.
Im Umkehrschluß bedeutet das, daß der Atommeiler in den Jahren vor 1992 illegal betrieben wurde. Die entscheidende Frage, ob das AKW anders errichtet wurde als genehmigt, sei denn auch vor dem Bundesverwaltungsgericht in Berlin überhaupt noch nicht verhandelt worden, sagte Fritz Kuhn, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg. Er verwies auf ein weiteres, vor dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim anhängiges Verfahren, das noch in diesem Jahr entschieden werden soll.
Nachdem die Genehmigungssituation des AKW zwei Jahre lang Gegenstand eines Untersuchungsausschusses im Landtag war, sind die Bündnisgrünen überzeugt, daß Obrigheim „in wesentlichen Teilen wie etwa dem Reaktordruckbehälter“ anders errichtet als genehmigt wurde. Kuhn hofft, daß sich dann das Bundesverwaltungsgericht in Berlin in einem zweiten Revisionsverfahren dieser Auffassung anschließen werde, falls der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim demnächst erneut im Sinne der Kläger entscheiden sollte. Klaus-Peter Klingelschmitt
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