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Den Lauschern die Grenzen aufgezeigt

Der jüngste Beschluß des Bundesgerichtshofs erschwert Abhöraktionen in Wohnungen und stellt klar: Für den Großen Lauschangriff muß das Grundgesetz geändert werden. Das kann dauern  ■ Von Wolfgang Gast

Die jüngste Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) in Karlsruhe dürfte manchen Ermittler zutiefst frustriert haben. Denn in seinem vor einer Woche veröffentlichten Beschluß hatte der 3. Strafsenat die Verwertung von Informationen verboten, die bei der elektronischen Überwachung von Räumen eines deutsch-türkischen Freundschaftsvereins in Stuttgart gewonnen wurden. Die Entscheidung ist insofern grundsätzlich, als die Karlsruher Richter das Abhören von Vereinsräumen prinzipiell als grundgesetzwidrig beurteilen.

Hintergrund war ein Fall, bei dem auf Antrag der Bundesanwaltschaft zwei Kurden überwacht worden waren. Die beiden wurden verdächtigt, Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein und wurden darüber hinaus verdächtigt, andere zu Brandstiftungen angestiftet haben. Die oberste Anklagebehörde hatte beim Oberlandesgericht Stuttgart (OLG) beantragt, den Prozeß gegen die beiden zu eröffnen. Als Beweismittel legte sie dazu unter anderem Protokolle vor, die beim Abhören des Vereinsheims gewonnen worden waren. Das OLG aber ließ die Ergebnisse der Lauschaktion als Beweismittel nicht zu und bezeichnete die Lauschoperation als illegal.

Genau dieser Auffassung schloß sich nun der Bundesgerichtshof an, indem er eine Beschwerde der Bundesanwaltschaft gegen das Verwertungsverbot der Protokolle verwarf. Nach Ansicht der Karlsruher Richter gab es für das Vorgehen der Ermittler keine Rechtsgrundlage.

Der neue Bundesgerichtshof- Entscheid wird den seit Jahren in Bonn geführten Streit um den Großen Lauschangriff erneut anheizen. Um bei der Verfolgung von Straftaten auch private Wohnungen abhören zu dürfen, müßte das Grundgesetz geändert werden – mit einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag. Ausdrücklich schloß sich der BGH der Auffassung vieler Bonner Rechtspolitiker an, wonach es nicht ausreichend sei, den Begriff „Wohnung“ im Grundgesetz neu zu bestimmen.

Damit ist die Regierungskoalition auf die Stimmen der Opposition angewiesen. Dafür sind sie zwar alle: CDU, CSU, FDP und auch die SPD wollen den Großen Lauschangriff. Doch die Vorstellungen darüber gehen weit auseinander.

Die bayerische CSU fordert seit Jahresbeginn nun auch die Einführung der Videoüberwachung in Privatwohnungen. Das wird aber nicht nur von der Opposition abgelehnt. Auch der Regierungspartner FDP lehnt den sogenannten „Spähangriff“ kategorisch ab. Andererseits fordern die Sozialdemokraten für ihre Zustimmung zum Lauschangriff einen „erweiterten Vermögensverfall“ für Gelder, die aus illegalen Geschäften angehäuft wurden.

Der springende Punkt ist dabei, daß die SPD in solchen Fällen die Beweislast umkehren möchte. Künftig soll der vermeintliche Verbrecher beweisen müssen, woher sein Vermögen stammt. Bisher gilt auch hier das Prinzip der Unschuldsvermutung. Zwar hat sich um die Jahreswende gezeigt, daß die Union einer solchen Vorstellung folgen könnte. Nur, die FDP macht dabei nicht mit. Nachweisen zu müssen, woher das eigene Vermögen stammt, das können und wollen Westerwelle und Co. ihrer Klientel nicht zumuten.

Die Bonner Debatte um die Verbrechensbekämpfung ist künstlich hochgepuscht. Das zeigt ein Blick in die Statistiken. Während in der Öffentlichkeit heftig um die Einführung des Lauschangriffs bei der Verbrechensbekämpfung gerungen wird, ist er im Bereich der Prävention, das heißt bei der Vorbeugung von Straftaten, längst fester Bestandteil der Landespolizeigesetze. In 15 der 16 Bundesländern (Ausnahme Bremen) ist das Abhören und Aufzeichnen von Gesprächen in Wohnungen und sonstigen Räumen erlaubt, „wenn dies zur Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben einer Person unerläßlich ist“ (Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland). In Berlin, Brandenburg Hamburg, Hessen dürfen Wohnungen auch überwacht werden, wenn die „Freiheit einer Person“ bedroht ist. Das gilt auch in Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. In Baden-Württemberg ist der Lauschangriff zusätzlich zur Abwehr eine „unmittelbar bevorstehenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes“ gestattet. Weitergehende Bestimmungen finden sich in den Landespolizeigesetzen Bayerns, Thüringens und in Rheinland-Pfalz. Hier ist das Lauschen und Spähen bereits zur Abwehr bestimmter Straftaten (Sachen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint“) zulässig. So weit die Befugnisse zum Teil gefaßt sind, so wenig werden sie offensichtlich gebraucht. Nur 8 der 16 Bundesländer machten in den letzten Jahren von der Möglichkeit des Lauschangriffs bei der Gefahrenabwehr überhaupt Gebrauch. In den acht anderen Ländern kamen in den vergangenen sechs Jahren rund hundert Fälle zusammen, in denen auf die Möglichkeiten der Polizeigesetze zurückgegriffen wurde. Letztlich führte der Lauscheinsatz auch in diesen Fällen nur dreimal zu einem behaupteten Erfolg. Diese Zahlen nannte kürzlich der bündnisgrüne Abgeordnete Manfred Such, auch Mitglied im Innenausschuß des Bundestages. Bekannt sind sie auch den Kontrahenten in Koalition und Opposition. Die Angaben stammen aus einer großen Anfrage der SPD, die die Bundesregierung im Sommer vergangenen Jahres beantwortete.

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