: Kino-Konzert: Als die Ohren sehen lernten
■ „Cinema in Concert II“ der Hamburger Symphoniker in der Musikhalle
In der - gnädig geschätzt - viertelvollen Musikhalle spielten die Hamburger Symphoniker zum zweiten Mal in dieser Saison Filmmusiken, diesmal von russischen Komponisten.
Die Leitung und die Moderation zwischen den Werken oblagen dem 30jährigen Frank Strobel, seit kurzem Chefdirigent des Deutschen Filmorchesters Babelsberg. Der musikalische Erfolg des Abends ist neben dem konzentrierten Orchester vor allem seinem Können und Engagement zuzuschreiben.
Eröffnet wurde das Konzert von einer knalligen Ouvertüre des eher unbekannten Isaak Dunajewski für den Film Die Kinder des Kapitän Grant von 1936, die phasenweise reichlich nach verspätetem Tschaikowsky klang. Der Hauptanteil vor der Pause ging an Musik von Alfred Schnittke, dessen aus Filmmusiken zusammengestellte Suiten Der Meister und Margarita undAgonie konzertante Uraufführungen waren. In Der Meister und Margarita (1993) nutzt Schnittke gekonnt diverse Verfremdungs-techniken, um etwa Maurice Ravels Bolero grotesk zu parodieren. Besonders die viersätzige Suite zu Agonie (1974) ist richtig gute Musik, die mit Hilfe eines unterschwelligen, rhythmischen Passacaglia-Themas durch einen Dies irae-Walzer und einen Tango zum Finale führt: Eine musikalische Entdeckung, die bitte auch im Abonnement-Programm wieder auftauchen möge!
Dmitri Schostakowitsch, bereits zu Beginn mit zwei recht kurzen Ausschnitten aus Hamlet (1964) vorgestellt, kam nach der Pause zu einem größeren Programmanteil durch die 1955 komponierte, originelle Filmmusik Die Hornisse. In Ausschnitten vorgestellt, konnte die mehrsätzige Suite in ihrer charakteristischen Vielfalt auch ungeübte Ohren begeistern. Der markante Schluß, Teile aus Sergej Prokofieffs Iwan der Schreckliche-Musik, von 1942 bis 1945 auf den Sergej Eisenstein-Klassiker komponiert, ist ohne Film nur die Hälfte wert. Außerdem ließen sich die überraschend gut sortierten Symphoniker hier bei einigen Ungenauigkeiten ertappen.
Filmmusik im Konzertsaal – in Kooperation mit der Hamburgischen Kulturstiftung ist den Hamburger Symphonikern hier die Weiterführung einer interessanten Idee zu verdanken. Wäre da nicht die unglückliche Preispolitik (ermäßigte 20 DM-Karten nur abends), die Halle hätte sicherlich eine bessere Frequentierung gehabt. Schließlich kann Musik ohne Film selbst für Cineasten zu Recht kaum mehr Geld wert sein als eine Kinokarte. Ulf Schlawinski
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