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Abspacen wie die Eidgenossen

Das Musical „Space Dream“ öffnet Ende Februar im Flughafen Tempelhof die Pforten. Plätze für 1.400 Zuschauer und ein riesiges Ufo im alten Hangar  ■ Von Klemens Vogel

„Mein Flieger geht in zehn Minuten!“ Mit wehendem Mantel durcheilt Brigitte Eichenberger die halbfertige Mondlandschaft im Hangar II des Flughafens Tempelhof. Hier noch schnell ein Talk mit dem Bauleiter, dort ein aufmunterndes Wort – dann entfleucht sie Richtung Berliner Nachthimmel.

Die quirlige Schweizer Verlagsunternehmerin will auch sonst hoch hinaus: Als Produzentin des Musicals „Space Dream“ macht sie Anstalten, das Berliner Entertainment-Firmament zu erobern. Der Countdown läuft bereits: Das Bühnenszenario, die Sitzreihen für 1.432 Menschen sowie das Foyer mit 26 Meter breitem Ufo werden zur Zeit im Akkord zusammengezimmert. Eine rundum eidgenössische Begegnung der dritten Art steht den Berlinern bald bevor. Auch Harry Schärer, Autor und Komponist von „Space-Dream“, kommt aus dem Alpenland.

Der „Lift-off“ ist für den 27. Februar angesetzt. Dann endlich können alle Berliner nach Schweizer Art abspacen: Denn zuverlässig wie die vielzitierten Chronometer strömen die Eidgenossen „seit zwei Jahren in ihre „Space Dream“-Halle nahe Zürich.

Der „Space-Dream“ Virus habe ihre Heimat befallen, schwärmt Produzentin Eichenberger deshalb. Der eidgenössische Weltraumerreger taugt tatsächlich zur Kult-Infektion: Die Berlin-kompatible Story über die Koexistenz zweier verfeindeter Völker wird mit viel Glitzer, Glamour und Bühnen-High-Tech aufgepeppt. Natürlich gibt es auch leidenschaftliche Liebe und ein Happy-End fürs Astronautenherz. Diese Mischung wird sicher die ein oder andere Mark in die Kassen beamen: Getreu dem Erfolgsrezept der marktbeherrschenden Lloyd-Webber- Produktionen („Cats“, „Phantom der Oper“) spekuliert die Produktionsfirma Art Performance auf den bundesweiten Musical-Tourismus. Auf Pauschalraumfahrer wartet ein Flugangebot ab 543 Mark inklusive Übernachtung und Frühstück von allen deutschen Airports. Die Sponsoren Euro- Card und Karstadt sollen die Werbetrommel rühren. Und bei Eintrittspreisen von 32 bis 136 Mark gibt es sogar eine Satellitenleitung ins All, wenn terranische Raumfahrer durch die Umlaufbahn shutteln. Das I-Tüpfelchen: Die ganze Space-Gaudi wird beschirmt von Herrn Ulf Merbold, dem teutonischen Vorzeigeraumfahrer. Den Stern der schwarzen Zahlen soll das Musical-Raumschiff bei 55 Prozent Auslastung in zwei Jahren erreichen. Ab dann wird mit Lichtgeschwindigkeit die Investitionssumme von 14 Millionen Mark wieder eingeflogen.

Ein Tellscher Blattschuß aus dem Handgelenk ist der Coup der Schweizer jedoch nicht. Unter dem Eindruck eines „Space Dream“- Besuches in der Schweiz 1995 träumte Eichenberger laut: „Space-Dream gehört nach Berlin.“ Alte Kontakte wurden aktiviert, die Banken konsultiert. Letztere legen ihre Fränkli bekanntlich lieber etwas konservativ an, doch Eichenberger konnte sie schließlich von der Solidität des Weltraumfahrtskommandos überzeugen.

Keinesfalls um „Peanuts“ drehte es sich auch beim Deal mit der Flugzeughalle: „Ich wollte dieses Hangar unbedingt“, so Eichenberger. Die Flughafengesellschaft war ebenfalls begeistert, die Produzentin bewertet die Zusammenarbeit heute als „sensationell“.

So hat Brigitte Eichenberger auf die Beine gestellt, was andere unter „Mission: Impossible“ abgebucht hätten: „Träume nicht dein Leben, lebe deinen Traum“, ist der Slogan der „Space-Dreamer“. Unter diesem Motto sollen auch die Besucher „etwas erleben, was es im Alltag nicht gibt“, wünscht sich Eichenberger.

Daß die Feuilletons meist irdisch-ungnädig mit harmonieseligen Musical-Produktionen umspringen, findet die Produzentin nicht so tragisch. „Uns geht es primär um Besucher, nicht um die Feuilletons.“ Im Mittelpunkt steht für sie das Gesamterlebnis. Und alles schließlich gut verdaulich: Ein leckerer Space-Cake für die ganze Familie.

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