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Ohne Nostalgie und Dünkel

Mit Klönschnacks und Rundgängen halten die Stadtteilforscher der Galerie Morgenland Eimsbüttels Vergangenheit lebendig  ■ Von Barbora Paluskova

Erzählte Geschichte hat ihre Tücken: Erlebtes wird in der Erinnerung verklärt und interpretiert, Legenden entstehen beinahe zwangsläufig. Wie die von dem jüdischen Schuhhändler aus der Lappenbergsallee, dessen Schaufenster im November 1938 verschont worden seien, weil er der SA Stiefel verkauft haben soll. Stimmt nicht, aber mit solchen „Entlastungsgeschichten“ haben die Stadtteilforscher aus der Galerie Morgenland Erfahrung. Seit 15 Jahren suchen sie in der Geschichtswerkstatt nach dem, was heute von der Vergangenheit Eimsbüttels lebendig ist – ohne verharmlosende Nostalgie und intellektuellen Dünkel.

In Einzelinterviews und in regelmäßigen „Klönschnackrunden“ berichten Zeitzeugen über politische Auseinandersetzungen in der Weimarer Republik, über Widerstand und Mitläufertum in der NS-Zeit oder über die Jugend in den fünfziger Jahren. Die Teilnehmer bestimmen selbst, mit welchen Themen sie sich beschäftigen wollen. Daß sich auch die „kleinen Leute“ als Subjekte in der Geschichte begreifen können, nicht nur als Quellen, deren Erinnerungen von professionellen Forschern abgeschöpft werden, ist ein wichtiges Anliegen von „oral history“, wie sie in der Eimsbüttler Sillemstraße betrieben wird.

Aus den Interviews sind schon etliche Veröffentlichungen hervorgegangen, etwa über jüdisches Leben in Eimsbüttel 1933-45 oder über „Bunkerleben und Kinderlandverschickung“ (beide im Dölling und Galitz Verlag). Das Buch zum jüngsten Projekt – zum Thema Integration und Erfahrungen von „displaced persons“, d.h. Zwangsarbeitern und anderen Hamburgern wider Willen, die nach 1945 in der Stadt blieben – erscheint in diesem Sommer.

Die Geschichtswerkstatt ist aber mehr als ein Treffpunkt für redewillige Ureinwohner. Schüler und Studenten nutzen das Archiv für Recherchen, und wer sich „nur so“ für die Vergangenheit des Viertels interessiert, aber nicht selbst als Zeitzeuge agieren kann oder will, kann sich in einem der Abendvorträge oder auf einem Stadtteilrundgang über die Geschichte Eimsbüttels informieren. Die Rundgänge, mittlerweile eine feste Institution, werden im Frühjahr wieder aufgenommen. Was bis dahin an Sehens- und Hörenswertem anliegt, steht im aktuellen Programm – das liegt in der Galerie aus und kann dort abgeholt werden. Zum Beispiel am 13. Februar: Dann berichtet der Ur-Eimsbüttler Uwe Storjohann über Swinglokale, Filmpaläste und andere Attraktivitäten, die der Jugend zwischen den Weltkriegen an Osterstraße und Umgebung angeboten wurden.

Ach ja, wieso heißt es überhaupt Galerie Morgenland? Weil es eben auch eine ist – ursprünglich fanden hier nur Kunstausstellungen statt, die Geschichtswerkstatt entwickelte sich erst später. Daß die Historie heute den Schwerpunkt bildet, hat einen einfachen Grund: das Stadtteilzentrum wird durch einen Verein mit ca. 70 Mitgliedern getragen, ein wenig von der Kulturbehörde bezuschußt und kann sich nur einen Festangestellten leisten: den Historiker Patrick Wagner. Die Kunstfraktion besteht aus vier unbezahlten AktivistInnen, die mit ihren Kräften naturgemäß haushalten müssen. Trotzdem werden immer noch um die zehn Ausstellungen pro Jahr organisiert; ab dem 14. Februar kann das neue ×uvre des Hamburgers Peter Krahe besichtigt werden.

Die Galerie Morgenland, Sillemstraße 79, ist dienstags bis donnerstags von 13 bis 17 Uhr geöffnet; Tel.: 490 46 22

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