: Der richtige Ton und das Sparen
■ Diskussionen zur Zukunft des Theaters: Am Halleschen Ufer tagten die freien Gruppen, in der Akademie die unfreien
Am Ende kehrte man zum Anfang zurück. Auch die zweite Diskussion um ein neues Fördermodell für die freie Szene, zu der Zebu Kluth in das Theater am Halleschen Ufer eingeladen hatte, blieb ohne Ergebnis. Selbst die Verfahrensvorschläge am Schluß spiegelten nur den gemeinschaftlichen guten Willen und die Ratlosigkeit über den Weg dorthin.
Denn während einerseits Diskussionen in kleinen Gruppen gefordert wurden, um den Förderungsbedarf von Theater, Tanz, Jugendtheater und Performance präziser formulieren zu können, einigten sich die Teilnehmer andererseits auf eine Art „Vollversammlung“ der Szene. Dabei schrumpfte schon jetzt die Lust am Gespräch rapide, zumal niemand neue Ideen hatte.
Die Suche nach einem neuen Fördermodell war durch den Verwaltungsvorschlag angestoßen worden, die Töpfe für Privattheater und Off-Gruppen zusammenzurühren. Das empfinden die seit langem kontinuierlich arbeitenden „Geprüften Theater“ als hoffnungsvolle Konkurrenzsituation, andererseits erscheint die Suche nach neuen Förderstrukturen der Szene insgesamt als notwendig.
Die Kritik am Beiratsmodell schwelt schon lange. Ihm hat eine Initiative Fördermodell 99 den Vorschlag entgegengesetzt, einige Spielstätten mit eigenem Produktionsetat auszurüsten — was viele eine Intendantenmacht im Off fürchten läßt. Statt dessen wurde mehrfach angeregt, doch lieber darüber nachzudenken, wie wenigstens das Theater am Halleschen Ufer zu einem attraktiven Ort gemacht werden könnte.
Das berührte (wunder Punkt!) das Selbstverständnis der freien Szene. Der Charme des Unkontrollierbaren wirkt mittlerweile angestaubt, die Suche nach einer neuen Förderstruktur könnte hier auch eine Chance sein. Aber wohlerzogen und bescheiden ist die freie Szene. Keiner kam auf die Idee, grundsätzlich nach dem Verhältnis zu den städtischen Bühnen zu fragen. Und mehr Geld zu fordern wagte aus dem Off schon gar niemand. Katrin Bettina Müller
Ausgerechnet am gleichen Montag abend war auch eine Diskussion über die Zukunft der Staatstheater angesetzt. Die Reihe „Forum Hauptstadtkultur“ in der Akademie der Künste protzte mit einem prominent besetzten Podium — so prominent, daß selbst Jochen Sandig von den Sophiensälen vorbeischaute, bevor er (vielleicht?) zum Halleschen Ufer fuhr.
Ganz großer Auftrieb also am Hanseatenweg. Am Berlinale-Publikum vorbei drängelte man sich nach hinten in den Clubraum. Dort saß neben der Moderatorin Carola Wedel vom ZDF eine Altherrenriege: Kultursenator Peter Radunski, Frank Castorf (Volksbühne), Thomas Langhoff (Deutsches Theater), Peter Sauerbaum (Berliner Ensemble), Jürgen Schitthelm (Schaubühne) und Bernd Wilms (Maxim Gorki Theater) sowie als Gäste Frank Baumbauer (Schauspielhaus Hamburg) und Tom Stromberg (TAT Frankfurt).
Mal locker wirkungsbewußt (Castorf), mal zappelig redundant (Wilms) oder auch kühl dozierend (Sauerbaum) machten die Theaterleiter dem Senator klar, daß sie zuwenig Geld haben und noch weniger Vertrauen in die Kulturpolitik. Daß sie fänden, man wolle sie offenbar nicht wirklich. Daß sie aber trotzdem weitermachen würden. Der Senator aber schwor: „Sie können sicher sein, Sie haben mich auf Ihrer Seite.“ Und gab zu, nach der ersten Sparklausur vor einem Jahr „nicht den richtigen Ton“ gefunden zu haben. Dann guckten alle neidisch nach Hamburg, wo, wie Baumbauer berichtete, die Senatorin mit den Intendanten gemeinsam die Hände ringt und Einsparungen diskutiert, statt ihnen bloß die Summen zu diktieren.
„Wenn man die Zukunft Europas baut, ist die Kultur eine ebenso starke Basis wie der Euro“, sagte der Senator. Bis zum Jahr 2000 müßten die Berliner Staatstheater jedoch noch einmal 15 bis 16 Millionen Mark an Kürzungen „erbringen“. Petra Kohse
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