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CSU: Dieses Bild bedroht Deutschland

■ Parteiorgan „Bayernkurier“ unterstützt rechtsradikale Mobilisierung gegen kritische Fotoausstellung zur Wehrmacht. Christsoziale werfen Machern um Jan Philipp Reemtsma „moralischen Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk“ vor

München (taz) – Das CSU-Organ Bayernkurier sieht in einer Ausstellung, die mit Fotos – darunter dem hier gezeigten – die Verbrechen der deutschen Wehrmacht dokumentiert, eine „Diffamierung“ der Deutschen. In einem Beitrag unter der Überschrift „Wie Deutsche diffamiert werden“ über die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 – 1944“ des Hamburger Instituts für Sozialforschung bezeichnet der Bayernkurier-Redakteur Florian Stumfall die Verurteilung von Nazikriegsverbrechern in den Nürnberger Prozessen von 1945/46 als „Strafmaßnahmen gegenüber Deutschland“.

Die Wehrmacht-Ausstellung, die vom nächsten Montag an in München zu sehen ist, sei ein Versuch der Linken, diese „Strafmaßnahmen noch zu verschärfen“. Geplant sei damit, „einen moralischen Vernichtungsfeldzug gegen das deutsche Volk zu führen“, schreibt der heutige Bayernkurier auf Seite eins – selbstverständlich, ohne ein Wort über die realen Vernichtungsfeldzüge vor 1945 zu verlieren.

Eine Warnung an Jan Philipp Reemtsma liefert das CSU-Blatt gleich mit. Der Industrielle „sollte nicht dem Trugschluß verfallen, daß der, der von anderen Unrecht hat leiden müssen, sich dergestalt einen Freibrief für andere Abscheulichkeiten erworben hätte“.

Diese Gleichsetzung der „Abscheulichkeit“ Reemtsma-Entführung mit der „Abscheulichkeit“ Ausstellung komplettiert der Bayernkurier noch mit einem Hinweis auf die Vergangenheit des Ausstellungsmachers Hannes Heer, der bis 1974 Kommunist war, sich dann aber von der DKP distanzierte. Mit Blick auf diesen „Handlanger“ solle Reemtsma bedenken, „daß die Seriösität einer Sache stets mit der Seriösität derer zusammenhängt, die sie betreiben“.

Auch der Münchner Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) wird in dem Text genannt. „Wer leichtfertig oder bösartig mit dem guten Namen anderer umgeht, muß sich fragen lassen, ob der Ehrbegriff in seinem Denken überhaupt einen Stellenwert hat. Das trifft in erster Linie den Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude. Er hat schändlich gehandelt“, so die Meinung des CSU-Blatts. Der Oberbürgermeister sieht in dem Text die Grenzen zwischen Rechtsradikalen und Christsozialen verschwimmen: „So etwas zeigt, daß der Mann offensichtlich ausgerastet ist und daß es keine erkennbaren Grenzen von der CSU zu neonazistischen Gruppen mehr gibt“, sagte er der taz. Der Artikel entspreche dem Sprachgebrauch der rechten Parteien aus der Spätphase der Weimarer Republik, so Ude.

Von besonderer Kenntnis der Münchner Politik scheint das Urteil des Bayernkuriers nicht getrübt. So macht er den Münchner SPD-Fraktionschef Dietmar Keese in seinem Text zum Kulturreferenten – und wirft diesem im gleichen Satz mangelnde Sachkenntnis vor.

Von der CSU, die den Bayernkurier wöchentlich an ihre Mitglieder verschickt, war gestern keine Stellungnahme zu dem Text von Florian Stumfall zu erhalten: „Wir respektieren die Unabhängigkeit der Redaktion“, erklärte deren Parteisprecher Maximilian Schöberl. Der bayerische SPD-Generalsekretär Wolfgang Hoderlein sieht mit dem Artikel „die letzten Schamgrenzen nach rechts überschritten“.

Die Ausstellung in München hat dort zu heftigen Kontroversen geführt. Ein rechtsradikales Bündnis ruft für den 1. März zu einer Großdemonstration auf. Die örtliche CSU will der Eröffnung fernbleiben und plant eine eigene Veranstaltung.

Felix Berth Tagesthema Seite 3

Kommentar Seite 10

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