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Vier Mann hoch auf 14,5 Quadratmetern

■ Gefangene obsiegten gegen Haftanstalt im Rechtsstreit um Doppelbelegung

Erstmals sind Gefangene gegen die Überbelegung ihres Knastes vor Gericht gezogen und haben recht bekommen. Bis zur Entscheidung in der Hauptsache dürfen laut Beschluß der Strafvollstreckungskammer im Freigängerhaus IV der Männeranstalt Plötzensee keine Einmannzellen mehr ohne Zustimmung der Insassen doppelt belegt werden.

Wie der Leiter der JVA Plötzensee, Udo Plessow, bestätigte, hat die Anstalt aus dem Rechtsstreit inzwischen die Konsequenz gezogen, daß die 9,5 großen Zellen nur noch bei Zustimmung doppelt belegt werden. 47 von 174 Insassen hatten einen Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt.

Die Freude der Gefangenen über diesen Teilerfolg vermochte der Anstaltsleiter jedoch nicht zu teilen. Er sprach von einem Pyrrhussieg. Selbst wenn die Insassen bis zum Kammergericht erfolgreich seien, hätten sie am Ende das Nachsehen.

Der Grund: Die Strafvollstreckungskammer habe der einstweiligen Verfügung nur deshalb stattgegeben, weil sich die Zellen der Kläger in einem Haus befinden, das nach dem Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes (StVollzG) im Jahr 1977 gebaut worden ist. Laut StVollzG dürfen Insassen des offenen Vollzuges nicht gegen ihren Willen in sogenannten Neubauten untergebracht werden. Bei Häusern, die vor 1977 entstanden sind, gelte diese Vorschrift dagegen nicht.

Die denkbare Folge: Der Anstaltsleiter könnte die aufmüpfigen Gefangenen einfach in das 1871 gebaute Freigängerhaus V der JVA Plötzensee verlegen. Vom Regen in die Traufe also. Denn in dem alten Backsteinhaus ist es laut Plessow „ganz normal“, daß sich die Insassen zu viert 14,5 Quadratmeter große Zellen teilen. Daß die Mehrfachbelegungen auf so engem Raum unmenschlich sind, findet der Anstaltsleiter nicht. Schließlich müßten sich die Freigänger dort „nur für acht Stunden Nachtschlaf“ aufhalten.

Von der Möglichkeit der Verlegung hat Anstaltsleiter Plessow allerdings noch keinen Gebrauch gemacht, wenngleich er meint, daß die Doppelbelegung mit dem Gerichtsverfahren „ein bißchen zu hoch gekocht“ werde. In den Berliner Haftanstalten gebe es drängendere Probleme: In den Männerknästen Tegel und Moabit „stauen sich die Insassen, weil es zu wenige Plätze im offenen Vollzug gibt“. Plutonia Plarre

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