piwik no script img

Mit dem Bus nach Bosnien

Am Sonnabend sollen die ersten BosnierInnen aus Hamburg abgeschoben werden / Prominente veröffentlichen Appell dagegen  ■ Von Elke Spanner

Es ist soweit: BosnierInnen werden zwangsweise aus Hamburg abgeschoben. Am Sonnabend fährt der erste Bus. Wie Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal gestern bestätigte, werden darin acht BosnierInnen nach Berlin gebracht, von wo aus die Maschine in die zerstörte Heimat fliegt. Den genauen Abfahrtsort und die Startzeit behielt Smekal „aus Sicherheitsgründen“für sich. Parallel zum Bekanntwerden der ersten Zwangsrückführung veröffentlichten gestern rund 30 ErstunterzeichnerInnen einen Appell an die Innenminister von Bund und Ländern, die geplante größte Abschiebeaktion in der Geschichte der Bundesrepublik auszusetzen.

Allein aus Hamburg sollen in einem ersten Schritt bis Juni 2.600 Flüchtlinge „rückgeführt“werden. Bis zum Sommer 1998 sollen weitere 10.000 folgen. Doch in Bosnien, darauf weist der Aufruf hin, warten noch etwa 800.000 Inlandsflüchtlinge auf geeignete Unterbringungsmöglichkeiten. Die Vergrößerung der Flüchtlingszahl führe zu einer Zunahme des Elends in Bosnien, warnen die UnterzeichnerInnen. Zu ihnen gehören neben VertreterInnen aus Kirche, Kultur und Gewerkschaften auch Hamburger Prominente wie die Schauspielerinnen Heidi Kabel und Hannelore Hoger.

Hamburgs Ausländerbehörde und Politiker scheren die Einwände wenig. „Unter Federführung von Innensenator Hartmuth Wrocklage wird ein völlig verzerrtes Bild der Situation in Bosnien wiedergegeben“bemängelt Pastor Helmut Frenz, Flüchtlingsbeauftragter der Nordelbischen Kirche und Unterzeichner des Appells. Mit dem Argument, die Leute müßten in die Heimat zurückkehren, um sie wiederaufzubauen, hätte Wrocklage längst erreicht, daß die Stimmung in der Öffentlichkeit umgeschlagen sei.

Doch dieses Argument macht Bendix Klingenberg von der Bürgerinitiative Ausländische Arbeitnehmer e.V. in Wilhelmsburg (BI) und Mitinitiator des Appells wütend: „Erstens haben die meisten Leute keine Heimat mehr“, erklärt er. „Innerhalb ihres Staatsgebietes wurden sie vertrieben.“Und zweitens gebe es in Bosnien-Herzegowina keinen Aufbau: „Dort gibt es nichts. Keinen Strom, kein Holz, kein Zement und kein Werkzeug“.

Zusammen mit der BI initiierten der Hamburger Arbeitskreis Asyl und die kirchliche Beratungsstelle „Fluchtpunkt“den Aufruf. Neben dem Appell an die Innenminister wird explizit der Hamburger Senat aufgefordert, von Zwangsabschiebungen abzusehen und die freiwillige Rückkehr zu fördern. Laut Klingenberg gebe es nur eine Möglichkeit: BosnierInnen, die gar nicht bauen können und deswegen den Wiederaufbau eher behindern als fördern würden, müßten vorerst in Hamburg bleiben können – bis andere Flüchtlinge mit ihrem Know-how und einer finanziellen Absicherung durch die Hansestadt neue Bleiben geschaffen haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen