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Ein Büro für gewisse Stunden

An Geschäftsleute, die sich kein eigenes Büro leisten können oder wollen, vermietet Anita Gödiker repräsentative Arbeitsräume inklusive Sekretärin  ■ Von Hannes Koch

Wer sich bei Anita Gödiker in der Nähe des Checkpoint Charlie einmietet, verfügt über ein eigenes Büro – und hat doch wieder keines. Geschäftsfrauen und -männer aller Branchen und Professionen können kommen und Arbeitsräume buchen, für Stunden oder Tage, Wochen oder Jahre.

Mitbringen müssen sie nichts. Alles bietet Gödiker in ihrem „Business-Center“: die freundliche Empfangsdame am Tresen, die Designer-Schreibtische, das Kaffeegeschirr, die Bilder an den Wänden und die Pflanzen vor dem Fenster. Computer stehen zur Verfügung, alle Raffinessen der Telekommunikation und auch Konferenzräume. Bei Bedarf wird in der Eingangshalle an der Charlottenstraße ein Firmenschild des jeweiligen Mieters aufgehängt. Bei Anruf melden sich Gödikers Mitarbeiterinnen als „Anwaltskanzlei Meyer und Partner“, „Handels GmbH Smith“ oder „Fuji-Vertretung Berlin“.

Eine Mischung aus Schein und Sein, aus Rationalisierung und Tarnadresse – das ist die Geschäftsidee von Gödiker. Eine Zielgruppe, die die 39jährige aus Emsland umwirbt, sind die Nomaden des internationalen Managements, die auf ihren Reisen um den Globus selten an einem Ort verweilen. Dieser Spezies werden stationäre Büros allmählich zu teuer, weil sie ohnehin 90 Prozent der Zeit ungenutzt verwaisen, meint die Dienstleisterin und bietet Kostensenkung. Originalton Firmenprospekt: „Ihre Sekretärin wird nie krank, nimmt keinen Urlaub und kostet Sie monatlich weniger als die Leasing-Rate Ihres Geschäftswagens.“

Für 2.000 bis 3.000 Mark pro Monat bekommt der rasende Unternehmer am Checkpoint einen 16-Quadratmeter-Raum mit „full service“, Getränke und Konfekt inklusive. Kein Vergleich mit dem Lohn einer festangestellten Sekretärin und den horrenden Kosten der firmeneigenen Verwaltung. Schön auch die zentrale Lage der neuen Adresse: „Nach einem erfolgreichen Arbeitstag locken die schicken Einkaufsläden der Friedrichstraße. Nach einer geruhsamen Nacht im benachbarten Berlin Hilton und einem ausgedehnten Frühstück im Luxushotel Four Seasons kann ein neuer Arbeitstag beginnen“, verspricht die Werbeschrift des Mietbüros.

Angesprochen fühlen dürfen sich auch diejenigen, die kurzfristig ein edles Ambiente brauchen, um Eindruck zu machen. Vielleicht erscheint dem freien Journalisten sein Hinterhofbüro zu schäbig, um dort einen wichtigen Informanten zu treffen. Oder die Boutiquenbesitzerin sucht repräsentative Räume zur Verhandlung des neuen Mietvertrags. Diesen Menschen wird geholfen – ab 140 Mark am Tag. Auch als bloße Briefkastenfirma kann das Haus in der City Ost fungieren: Manche KundInnen, schätzt Gödiker, sind nur erpicht auf die Adresse und die Telefonnummer, ohne jemals persönlich anwesend zu sein. Anrufe werden dann prompt umgeleitet, Briefe weitergeschickt – nach Oberschöneweide oder Neukölln, Erfurt oder Wolfsburg.

Seit drei Wochen sucht die Geschäftsfrau nach Mietern für ihre 600 Quadratmeter. Einige habe sie schon gefunden, darunter einen Rechtsanwalt. Die anderen bleiben Betriebsgeheimnis. An mehreren Orten floriert das Modell bereits. Zwei 1989 gegründete Firmen haben das Konzept an rund 25 Häuser in der Bundesrepublik verkauft und einige im Ausland, darunter in Wien, Zürich, Bangkok und Jakarta.

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