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Um Interpretationshoheit in Sachen Gysi bemüht

■ CDU/CSU feiert Gauck-Gutachten, der PDS-Promi sieht sich weiter unschuldig

Bonn (taz) – Das neue Gutachten der Gauck-Behörde über Gregor Gysi läßt nach Ansicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und früherer DDR-Bürgerrechtler keinen Zweifel mehr daran, daß der PDS-Spitzenpolitiker Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Stasi war. Gysi sagte dagegen: „Ich fühle mich eindeutig entlastet.“

Auf Antrag der größten Regierungsfraktion hatte der Geschäftsordnungsausschuß des Bundestages beschlossen, das Zusatzgutachten der Gauck-Behörde über den Vorsitzenden der PDS-Gruppe Gregor Gysi zu veröffentlichen. Es handelt sich dabei um eine von der damals noch bündnisgrünen und heutigen CDU-Abgeordneten Vera Lengsfeld beantragte umfassende Würdigung der mutmaßlichen Stasi-Mitarbeit Gysis.

Die Fraktion habe sich zu diesem Schritt entschlossen, um zu verhindern, daß Gysi die „Interpretationshoheit über das Gutachten“ erhalte, so Andreas Schmidt, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU in Bonn. Der SPD-Abgeordnete Stephan Hilsberg meinte, Gysi könne nun nicht mehr unwidersprochen den Inhalt des Gutachtens in verfälschender Art und Weise kommentieren.

Vera Lengsfeld räumte ein, daß die Aktenlage „unübersichtlich“ sei, betonte aber, in den Schriftstücken gebe es keinen Hinweis, daß Gysi die Stasi jemals enttäuscht habe. Durch ihn seien seine Mandanten für die Stasi berechenbar gewesen. Gysi habe nie etwas für sie getan, das nicht im Stasi-Interesse gewesen sei.

Als Beweis für die IM-Tätigkeit Gysis verbreitete die CDU/CSU- Fraktion eine Aktennotiz der Stasi, die im Zusammenhang mit der anwaltlichen Tätigkeit Gysis für den inhaftierten Bürgerrechtler Rudolf Bahro steht. Dort heißt es: „Gen. Gysi informierte des weiteren über einen von Rudolf Bahro erhaltenen Brief, in dem B. um eine dringende Aussprache bittet. ... Entsprechend der letzten Vereinbarung wurden die von Bahro an Gen. Gysi gestellten Forderungen betr. besserer Haftbedingungen an Staatsanwalt Gläßner weitergeleitet. ... Nach Abstimmung mit der HA IX wird Gen. Gysi Bahro schriftlich mitteilen, daß er die Antwort des Staatsanwaltes abwartet.“

Gysi erklärte zu dieser Passage, es handele sich um einen Vermerk der Hauptabteilung 9, also einem Ermittlungsorgan mit polizeilicher Befugnis, und nicht der Hauptabteilung 20 zur politischen Untergrundbekämpfung. Mit den Vernehmern habe er natürlich gesprochen. Inzwischen könne er in einigen Punkten eindeutig seine Unschuld beweisen. Markus Franz

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