piwik no script img

Auf Du und Ohr mit deinem Autor

■ Eine Ausstellung dokumentiert 20 Jahre der NDR-Sendereihe „Autoren lesen im Funkhaus“

Das Konzept ist einfach und wirkungsvoll. Man nehme einen illustren Dichterkopf, plakatiere dessen Namen quer durch die niedersächsische Landeshauptstadt, und schon ist der NDR-Veranstaltung Autoren lesen im Funkhaus der volle Saal garantiert. Eine Woche später wird das Ganze dann im Radio gesendet. Da es so schon seit 20 Jahren prima funktioniert, fand im März in Hannover eine fünftägige Jubeljubiläumsfeier mit Lesungen, Musik und einer begleitenden Ausstellung statt. Die belegt mit Briefen, Büchern und Manuskripten den engen Kontakt zwischen Schriftstellern und der NDR-Kulturredaktion. Und damit die Hamburger ebenfalls in den Genuß visualisierter Radioästhetik gelangen – ist ja schließlich auch unser NDR –, wird die Schau nun im Hamburger Literaturhaus gezeigt.

Hier kann man ab heute auf 20 Jahre Promi-Pflege zurückblicken. Wer in dem erlauchten Kreis zu Wort kommen wollte, mußte schon einen gewissen Grad von Berühmtheit mitbringen: Grass sollte er möglichst heißen oder Walser, Hochhuth oder Rathenow. Seit am 7. Januar 1977 Alfred Andersch zum Auftakt der Sendereihe im Hannoverschen Funkhaus zum Mikrofon griff, habe sich fast alles eingefunden, „was in der deutschen Literaturszene Rang und Namen hat“, betont Wend Kässens, der die Reihe seit 1989 betreut.

Einige Autoren haben die Einladung zur Sendung abgelehnt, Botho Strauß etwa oder Heinrich Böll. In der Regel aber hatte die Redaktion wenig Probleme, namhafte Autoren zum Lesen vor Live-Publikum zu bewegen. Platz für Neueinsteiger gab es dagegen kaum, schließlich galt es, mindestens 80 Zuschauer ins Funkhaus zu bewegen: Libuse Moníková einzuladen war da schon ein Risiko.

Kein Raum für Experimente also? Doch, um dem Schnarch vorzubeugen, lesen die Star-Schreiber stets aus unveröffentlichten Manuskripten. Auch die Redakteure wissen vor der Lesung nicht, was auf sie zukommt – die Diskussionen finden hinterher statt, das Publikum ist zum Mitreden aufgerufen.

Zunehmend wird aber das Auditorium von Fans gefüllt – Hanjo Kesting, Leiter der NDR-Hauptredaktion „Kulturelles Wort“und Erfinder der Sendung, wertet dies als Symptom. Während vor 20 Jahren eher Bildungsbürger zu den Lesungen kamen, werde heute der Trend zum Autorenpublikum immer stärker. Die Zuschauer kämen nicht mehr, um einen anerkannten Schriftsteller zu hören, sondern um ihren Lieblingsschreiber mal live zu erleben.

Im Rahmen der Hamburger Ausstellung stellt sich der Schweizer Autor Paul Nizon am 5. Mai seiner norddeutschen Fangemeinde.

Barbora Paluskova

bis 15. Mai, Literaturhaus

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen