: Jungs sind nicht erwünscht
Dulsbergs Schülerinnen bekommen ihr eigenes Freizeitareal: Am Montag wird am Alten Teichweg die „Mädchenarena“eröffnet ■ Von Jan Freitag
Auf den Stufen des kleinen Amphietheaters sitzen vier Schülerinnen und klönen. Einigen sechsjährigen dienen die Steinquader der Arena als Hindernis beim Fangenspiel. Unten, auf dem Rasen, sitzen einige Zehntklässlerinnen und diskutieren sich die Köpfe heiß. Nebenan probieren sich 13jährige beim Basketball. „Ey, zieh dein Mackergehabe woanders ab“, tönt es plötzlich vom Rand. Drei 18jährige geben einem Schüler aus der 13 unmißverständlich zu verstehen, daß er in der „Mädchenarena“nicht erwünscht ist.
So oder ähnlich könnte es auf dem Gelände der Gesamtschule Alter Teichweg in Dulsberg ab Montag zugehen. Dann nämlich wird hier die „Mädchenarena“eröffnet, ein Freizeit-Areal für Schülerinnen, das von ihnen mitentworfen wurde und Jungs nur beschränkten Zugang erlaubt. Die 3.500 Quadratmeter große Fläche bietet Raum, „wo Schülerinnen sich zurückziehen können“, erklärt Projektleiter Thomas Coelen, „denn Mädchen“, so weiß er, „haben andere Bewegungsbedürfnisse, legen mehr Wert auf Kommunikation.“
Auf dem Schulhof am Alten Teichweg ist das Pausenangebot auf Jungs zugeschnitten – Bewegungsmöglichkeiten gibt es zur Genüge, Entspannung ist nicht eingeplant. Gerade 19 Prozent der über 12jährigen, die das Sportangebot auf solchen Schulhöfen nutzen, sind Mädchen. Daß in der Mädchenarena dennoch Tischtennis oder Basketball geboten wird, ist nach Ansicht der Macherinnen kein Widerspruch – wichtig ist ihnen, daß Jungs geduldet, aber nicht erwünscht sind.
Klären sollen das die Mädchen selbst, so sieht es zumindest das bisherige Konzept vor. Und das stammt, ebenso wie die Idee der Arena, von zwei Referentinnen der Hamburger Sportjugend. Als Conny Sonsmann und Marlies Walther 1994 über Möglichkeiten mädchengerechter Stadtteilverschönerung in Dulsberg grübelten, rechneten sie jedoch kaum mit solch einem Erfolg. Aus ihrem Plan, Mädchen verstärkt in Gestaltungskonzepte einzubeziehen, entwickelte sich ein komplettes Freiflächenprojekt Dulsberg-Nord, die Mädchenarena ist ein Bestandteil.
Den Anfang machte ein Preisausschreiben. Die Sportjugend bat darin um Vorschläge für die Gestaltung Dulsbergs und der oft versiegelten Schulhöfe. Mehr als 120 sechs- bis 14jährige nahmen teil. Ganz bewußt wurden die SchülerInnen selbst angesprochen, nicht zuletzt, „um bei den Behörden endlich die Scheu vor der Zusammenarbeit mit Kindern und Jugendlichen abzubauen“, erklärt Landschaftsarchitektin Spalink-Sievers.
Seither achten rund 15 Schülerinnen darauf, daß nicht über ihre Köpfe hinweg geplant wird. An der Ausführung und Finanzierung der Arena waren gleich mehrere Behörden beteiligt: neben Schul- und Umweltbehörde auch das Bezirksamt Hamburg-Nord, die Stadtentwicklungsbehörde und das Senatsamt für Gleichstellung. Allein letzteres steuerte 100.000 Mark bei.
Daß die Arena als erstes Dulsberger Projekt vor der Eröffnung steht, ist symptomatisch für den weiblichen Einfluß auf die Gestaltung. Das Mißverhältnis zwischen möglicher und tatsächlicher Einflußnahme wurde „endlich mal zugunsten der Schülerinnen umgedreht“, freut sich Architektin Spalink-Sievers. Dabei sieht die Arena noch keineswegs aufsehenerregend aus. „Erst im Sommer“, versichert Schulleiterin Roswitha Lüding, „entfaltet sie ihren vollen Charme.“Bisher wirkt das an Rasenflächen reiche, an Pflanzenwuchs hingegen arme Areal jedoch noch recht schmucklos. „Hier stehen viel zu wenig Bäume“, beschwert sich auch die elfjährige Stefanie Kühl, „alles ist so kahl.“Doch das hat seinen Grund, versichert Conny Sonsmann, denn die Fläche „soll weitere Gestaltungsoptionen offen halten.“
Mädchenarena, das heißt: Jungs werden zwar nicht ausgesperrt, aber auch nicht mehr als geduldet. „Wir hoffen“, meint Thomas Coelen, „die Mädchen regeln das unter sich.“Ein Zaun ist jedenfalls nicht geplant. Sollten die Männer in spe dennoch versuchen, ihre Rechte durchzusetzen, sei die Schule bereit, etwa mit Hilfe dezent auftretender Lehreraufsicht die Interessen der Mädchen durchzusetzen, verspricht Schulleiterin Lüding. Ganz im Sinne von Halima Zazay. Weil die 11jährige befürchtet, den Jungs nichts vorschreiben zu können, fordert sie „einen Zaun drumherum und Lehrerpatrouillen.“
Ob das Projekt Mädchenarena Nachahmung findet hängt vom Erfolg ab. Das Freiflächenkonzept am Alten Teichweg soll jedenfalls nicht nur der Optik dienen, sondern die Kids auch von der Straße auf die Schulhöfe holen. Dazu müßten diese allerdings auch nach Schulschluß offen sein, was meist nicht der Fall ist, gesteht Direktorin Lüding. Sie vertraut allerdings auf die Selbsthilfe der SchülerInnen: „Ab Samstag bleiben die Pforten zwar geschlossen, aber der Zaun ist ja nur einen Meter hoch.“
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