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Moskau und Grosny schließen Friedensvertrag

■ Die Präsidenten von Rußland und Tschetschenien wollen auch die wirtschaftliche Kooperation verstärken. Der Rechtsstatus der Kaukasusrepublik bleibt ungeklärt

Moskau (taz) – In Moskau unterzeichneten gestern die Präsidenten Rußlands und Tschetscheniens, Boris Jelzin und Aslan Maschadow, einen Vertrag, der den im August vergangenen Jahres vereinbarten Waffenstillstand in einen haltbaren Frieden verwandeln soll. Beide Präsidenten betonten, das Abkommen würde endgültig die seit 400 Jahren schwelenden Feindseligkeiten zwischen beiden Völker beilegen. „Wir haben ein Friedensabkommen von historischer Dimension unterzeichnet“, sagte Jelzin. „Während der ganzen Zeit herrschte Kriegszustand, und die Menschen fühlten sich unsicher“, räumte er ein.

Der Vertrag umfaßt einen Artikel mit fünf Unterpunkten, über deren Inhalt bisher Stillschweigen bewahrt wird. In der offiziellen Verlautbarung des Kreml hieß es, das Abkommen sei in Übereinstimmung mit internationalem Recht geschlossen worden, als handele es sich um zwei gleichberechtigte Subjekte des Völkerrechts. Eine Position, die der Kreml nicht teilt. Gleichzeitig gab man daher zu verstehen, die Republik Tschetschenien sei nach wie vor ein fester Bestandteil der Russischen Föderation. Die vage und doppeldeutige Formulierung soll beiden Seiten helfen, das Gesicht zu wahren. Im Waffenstillstandsabkommen von Chassawjurt wurde die Klärung des rechtlichen Status' der Republik auf das Jahr 2001 verschoben. Unterdessen gehen die Machthaber in Grosny schon davon aus, umfassende Souveränität erlangt zu haben.

Der stellvertretende Sicherheitratsvorsitzende Boris Beresowskij kommentierte das Geschehen: „Jelzin ging weiter als jene, die das Dokument entworfen haben.“ Der russische Präsident habe an diesem Tag in die Geschichte zurück und weit in die Zukunft geschaut.

Auf der Grundlage des Friedensabkommens werden weitere Vereinbarungen folgen, die die Beziehungen zwischen Moskau und Grosny in Wirtschaft, Handel und im sozialen Bereich normalisieren sollen. Maschadow ist auf die Hilfe angewiesen, obwohl der Kreml versuchen wird, die Abhängigkeit Grosnys zu nutzen, um es im russischen Staatsverband zu halten. Bisher leistete Moskau keine Wiederaufbauhilfe. Versuche Grosnys, die muslimischen Staaten am Golf als Mäzene zu gewinnen, schlugen fehl. Maschadow und Jelzin bekräftigten, auch im Kampf gegen den Terrorismus an einem Strang zu ziehen. Am Wochenende waren erneut Journalisten des russischen Senders NTW von Kidnappern in Tschetschenien entführt worden. Eine Praxis, die sich zunehmender Beliebtheit erfreut. Den Entführern winkten stets erkleckliche Auslösesummen. Klaus-Helge Donath

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