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Iranpolitik ohne Konzept

■ Außenminister Klaus Kinkel vor dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages

Bonn (taz) – Das Auswärtige Amt ist von der Rückweisung des deutschen Botschafters durch den Iran Ende April überrascht worden. Wie Außenminister Klaus Kinkel gestern dem Auswärtigen Ausschuß des Bundestages berichtete, habe man diese iranische Reaktion so nicht erwartet. Allerdings wurde bei Kinkel deutlich, daß zuvor nicht mit der iranischen Seite über die Bedingungen für die Rückkehr der Botschafter gesprochen worden war.

Ende April hatten sich die Außenminister der Europäischen Union für die Rückkehr ihrer Botschafter ausgesprochen, die sie drei Wochen zuvor als Reaktion auf das Mykonos-Urteil des Berliner Kammergerichtes abgezogen hatten. Daraufhin hatte der iranische Außenminister Welajati den deutschen Botschafter zur unerwünschten Person erklärt.

Anscheinend weiß das Auswärtige Amt auch jetzt noch nicht, wie es auf diesen Affront reagieren soll. Wie Kinkel dem Ausschuß erläuterte, werde die ganze Stufenleiter an Reaktionen erwogen. Wenn Vorbedingungen formuliert würden, da ist sich der Außenminister allerdings sicher, dann im europäischen Rahmen. Bislang ist nicht erkennbar, daß Deutschland als Hauptbetroffener mit einem eigenen Vorschlag in die europäischen Beratungen geht.

Seinerzeit waren die Botschafter auf Drängen anderer europäischer Partnerländer, vor allem Frankreichs, zurückgesandt worden. Selbst ein Abwarten der iranischen Wahlen Mitte Mai war nach Kinkels Ansicht nicht möglich. Um der einheitlichen europäischen Haltung willen habe er auch darauf verzichtet, sich bei der Entscheidung zu enthalten. Mit einer „konstruktiven Enthaltung“ hätte Deutschland seinen Widerspruch bekunden können, ohne den Prozeß zu blockieren.

Mitglieder des Ausschusses beklagten nach den Ausführungen Kinkels die Konzeptionslosigkeit der deutschen Iranpolitik. Doch ist davon auszugehen, daß es nicht mehr zu einer einheitlichen harten Position Europas gegenüber dem Iran kommen wird. dr

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