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28.000 Menschen waren nach 1945 von den Sowjets auf dem Gelände des früheren KZs interniert: Funktionsträger der Nazis. 7.000 starben. Eine Ausstellung versucht, auch diesen Opfern gerecht zu werden. Mit Erfolg. Aus Buchenwald Christian Semler

Das andere Lager in Buchenwald

Jahrzehntelang waren die von der sowjetischen Besatzungsmacht in der Nachkriegszeit eingerichteten Speziallager für ehemalige Funktionsträger des Naziregimes von einer Zone des Schweigens umgeben gewesen. Dieses Schweigen war im Osten verordnet, im Westen Folge von Interesselosigkeit. Erst mit der Wende meldeten sich Überlebende zu Wort, entstanden Opferverbände – und mit ihnen kam der Streit.

Jetzt scheint es der zehn Köpfe zählenden Historikergruppe der Gedenkstätte Buchenwald gelungen zu sein, mit der gestern eröffneten neuen Dauerausstellung über das sowjetische Speziallager Nr.2 die Kontrahenten wenigstens zu besänftigen. Aber die Reden bei der Ausstellungseröffnung zeigten, daß die Gegensätze nach wie vor virulent sind. Die Historiker aus Buchenwald, speziell Stiftungsdirekor Volkhard Knigge, wurden von zwei Seiten in die Zange genommen. Der Verband ehemaliger Häftlinge des Konzentrationslagers Buchenwald wehrte sich heftig dagegen, daß auf dem Gelände des KZs ehemaliger Nazis gedacht wurde. Für ihn lag darin eine Gleichbehandlung von Tätern und Opfern. Sprecher der ehemals von den Sowjets Internierten hingegen warfen Knigge vor, er beleidige das Andenken der in Buchenwald nach 1945 Umgekommenen, wenn er sie als hauptsächlich mittlere und kleinere Parteigenossen bezeichne. Schon die Charakterisierung der Speziallager als Internierungslager sei eine unzumutbare Verharmlosung. Schließlich gab es Streit um den Charakter des Museums, der ehemaligen Internierten und ihren Nachkommen als kalt und unpersönlich erscheint.

Bei diesen Auseinandersetzungen hatten es die Historiker und Museumsleute schwer, sich mit den Fakten, die sie zutage förderten, Gehör zu verschaffen. Eine genaue Durchsicht der Registraturen ergab, daß die große Mehrzahl der in Buchenwald Festgehaltenen tatsächlich nazistische Funktionsträger gewesen waren, Blockwarte, Zellenleiter, im höchsten Fall Ortsgruppenleiter. Durch sowjetische Gerichte bereits Verurteilte fanden sich nicht unter ihnen, auch keine höheren SS- oder Nazichargen, mit Ausnahme des Reichssportführers und eines schwer belasteten Arztes. Auch gab es, der Erinnerung vieler Überlebender zum Trotz, wenig junge Leute, die man verdächtigte, dem „Werwolf“ angehört zu haben. Diese Sachlage zwang zu dem Schluß, daß das Gros der Internierten keine gänzlich unschuldigen Opfer waren, sondern „Mitläufer“, wie es in der Terminologie der Spruchkammern zur Entnazifizierung hieß.

Die Stiftung Gedenkstätten versuchte, durch die Berufung einer Historiker-Kommission und die Einrichtung eines Häftlingsbeirats die Auseinandersetzung, so gut es ging, zu versachlichen. Sie war um Konsens bemüht. Das erforderte sensible Abwägung. Die Ausstellung über die Speziallager sollte der KZ-Gedenkstätte und dem neu eingerichteten Buchenwald- Museum nachgeordnet sein, sie sollte auf dem Gelände des KZs liegen, strikten Informationscharakter erhalten. Gräberfeld und Ausstellungsgebäude sollten voneinander getrennt werden. Jede Gleichstellung von Nazi-Opfern und Opfern der Internierung sollte so vermieden, gleichzeitig aber die Inhumanität des Speziallagers deutlich herausgestellt werden. Wenn überhaupt möglich, ist die Ausstellung diesen Anforderungen gerecht geworden.

Für die Verfolgten des Naziregimes bleibt die Ausstellung freilich ein Sakrileg, eine Entweihung. Die überlebenden Internierten und deren Verwandte werden dagegen die Irritation nicht los, die sie bei Begriffen wie „stalinistische Entnazifizierung“ befällt. Sie messen in erster Linie diese Entnazifizierung an der Zahl der Toten, die sie forderte. Und diese Zahl ist bedrückend genug. Von den rund 128.000 in der Sowjetischen Besatzungszone Internierten ist rund ein Drittel gestorben. In Buchenwald selbst waren es von insgesamt 28.000 Internierten 7.000. Im Vergleich mit der Internierungspraxis der westlichen Besatzungsmächte sind die Unterschiede offenkundig.

Vergleichen bedeutet nicht gleichsetzen. Das sagt sich leicht, ist aber aus der Perspektive von Opfern schwer zu verstehen. Über das Mühen um Sachlichkeit und Differenzierung, die Historiker und Ausstellungsmacher in Buchenwald obwalten ließen, wird nicht der gegenwärtige Streit entscheiden, sondern die jungen Besucher, die heute in noch größerer Zahl die Gedenkstätte besuchen als zur Zeit des realexistierenden Sozialismus. Ein Trost.

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