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Albright liest Balkan-Führern die Leviten

Bei ihrem mehrtägigen Besuch in Sarajevo, Zagreb und Belgrad stieß die US-Außenministerin auf Widerstände. Serbien will nicht mit dem UN-Tribunal kooperieren  ■ Aus Sarajevo Erich Rathfelder

Ungeniert die eigene Macht zu betonen, haben sich US-amerikanische Politiker seit jeher nicht gescheut. Die energische Außenministerin der USA, Madeleine Albright, hat bei ihrem am Sonntag beendeten Besuch in Bosnien- Herzegowina, Jugoslawien und Kroatien keine Ausnahme gemacht. Sie kümmerte sich nicht um diplomatische Rücksichtnahmen. Sie fand klare Worte gegen jene, die nach wie vor den Friedensprozeß in der Region zu behindern drohen. Und ließ auf allen Stationen ihrer Reise betretene Gesichter zurück.

Ob aber die Strategie des US- amerikanischen Diktats für den Frieden von Erfolg gekrönt ist, bleibt vorerst ungewiß. Zwar erhielt die US-Diplomatin in Sarajevo von vielen Seiten verbale Unterstützung für ihre Forderung, die mutmaßlichen Kriegsverbrecher zu verhaften. Denn man spürt, daß es Albright jetzt ernst ist mit dem Anliegen, an diesem Punkt weiterzukommen. Schon in Zagreb und in Belgrad hatte sie die Präsidenten Kroatiens und Serbiens, Franjo Tudjman und Slobodan Milošević, harsch aufgefordert, endlich ihren in Dayton eingegangenen Verpflichtungen nachzukommen. Aber beide Präsidenten vermieden es, der US-Delegation konkrete Zusagen zu geben. Milošević erklärte schon vor dem Besuch Albrights, Serbien werde in der Frage der Kriegsverbrecher nicht nachgeben.

Die internationale Strategie ist seit dem Abkommen von Dayton ohne Erfolg darauf angelegt, Tudjman und Milošević zu zwingen, die Kriegsverbrecher durch die eigenen Behörden und nicht durch die Nato-Militärs verhaften zu lassen. Albright erklärte nun, die USA würden bei einer weiteren Blockierung dieser Forderung Konsequenzen ziehen. Im Falle Serbiens würden die USA die Reintegration des Landes in die internationalen Insitutionen behindern. Und im Falle Kroatiens würden die USA dafür sorgen, daß es nicht zu einer Annäherung an die Europäische Union kommt, betonte die Diplomatin.

Dies gelte auch dann, wenn die Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen weiterhin behindert werde. Bei ihrem Besuch in Kroatien und speziell in Hrvatska Kostajnica – einem Dorf, in dem erst kürzlich serbische Rückkehrer von kroatischen Flüchtlingen aus Bosnien, die ihrerseits nicht in ihre Heimat zurückkehren dürfen, brutal angegriffen worden waren – forderte Albright Tudjman auf, weitere Zwischenfälle dieser Art zu unterbinden. Im Gegenzug erklärte der kroatische Präsident, angesichts der Blockadepolitik der serbischen Behörden in Ostslawonien gegenüber der Rückkehr kroatischer Flüchtlinge könnte lediglich die Rückkehr der serbischen Flüchtlinge in die engere Region um Knin erfolgreich organisiert werden. Eine andere Politik sei für Kroatien zur Zeit nicht möglich. Immerhin sollten Vorfälle wie in Hrvatska Kostajnica untersucht werden.

Im Falle der Rückkehr der Vertriebenen wird der US-Außenministerin selbst im amerikafreundlichen Sarajevo widersprochen. Nach ihrer Erklärung, sie freue sich, daß Sarajevo wieder zu einer offenen Stadt geworden sei, in die alle ehemaligen Bewohner zurückkehren könnten, konterten bosnische Politiker wie der Bürgermeister von Ilidza mit dem Hinweis, daß die Rückkehr nicht zur Einbahnstraße werden dürfe. Die USA und die internationale Gemeinschaft sollten sich nicht nur für die Rückkehr serbischer Flüchtlinge einsetzen, sondern endlich auch die Rückkehr von Muslimen und Kroaten in den serbisch besetzten Teil Bosnien-Herzegowinas erzwingen.

Die Politik des großen Knüppels von Madeleine Albright könnte tatsächlich neuen Wind in die festgefahrene Lage in der Region bringen, hieß es in diplomatischen Kreisen in Sarajevo. Die USA müßten jedoch berücksichtigen, daß harsche Worte allein nicht ausreichten. Nötig sei eine koordinierte und ausgefeilte Strategie der internationalen Gemeinschaft.

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