piwik no script img

Der Bockkran geht – kommt der Space Park?

■ Seit 1983 liegt das Gelände der AG-„Weser“nun brach. Seit gestern holt ein Schwimmkran das letzte Wahrzeichen der Werft ab - den Bockkran. Vom Großanlagenbau zum Space Park – eine Chronik der großen Pläne. ab

23.3.1990: „Bremen strahlt – Brüssel zahlt“, dichtet der Weser Kurier. 1988 hatten die Wirtschaftsdeputation beschlossen, mit einer zweistelligen Millionensumme öffentlicher Subventionen aus dem seit 1983 weitgehend brachliegenden AG-„Weser“- Gelände eine „Zentrale Montage- und Umschlagsstätte für den Großanlagenbau“zu machen.

14.12.1990: Die 500-Tonnen-Großverladeanlage wird in Betrieb genommen. Für 4,5 Millionen hatte das Land Bremen für den alten Bockkran der 1983 stillgelegten Werft eine 80 Meter lange Gleisbahn bis ins seeschifftiefe Wasser bauen lassen. Große Anlagenteile sollen direkt von den Spezialschiffen hier an Land gebracht werden. Klaus Libor, Geschäftsführer der ArGe Weser, erklärt, daß er sich vom Großanlagenbau bis zu 600 Arbeitsplätze erhoffte auf dem AG-Weser-Gelände. „Bremer Umschlagplatz europaweit spitze“, titelt der Weser Kurier.

Frühjahr 1994: Der Bockkran mit seiner neuen Bahn hat drei Jahren kaum Arbeit gehabt. Das Konzept „Großanlagenbau“ist gescheitert. Die Stadtgemeinde Bremen, im Besitz von 50 Prozent des Krans, kauft dem Unternehmer Grunau die restlichen 50 Prozent für 565.000 Mark ab. Wofür?

November 1994: Eine neue Idee – Space Park – liegt auf dem Tisch. „Für die Umsetzung des Projektes werden 20 Monate veranschlagt“, heißt es da. Der Space-Park soll 1998 eröffnet werden, um rechtzeitig vor der Expo 2000 „bekannt“zu sein und „den internationalen Besucherstrom“nach Bremen zu lenken.

22.11.1994: „Geld ist genügend vorhanden“, sagt Wirtschaftssenator Claus Jäger vor 400 Unternehmern und Managern, die zu einer Werbeveranstaltung für den Space Park auf das Dasa-Gelände gekommen waren - und fügt hinzu - „wenn man Mut hat. Ein Mobilisierungsschub soll uns selbst unter Zeitdruck setzen.“

8.12.1994: Der Bockkran muß nicht unbedingt abgerissen werden, wenn der Space Park kommt – eventuell könne er als Sightseeing-Objekt stehen bleiben, erklärt Wirtschaftssenator Claus Jäger den Wirtschaftsförder-Ausschüssen.

14.6.1995: Der Space-Park „soll im Frühjahr 1998 und damit rechtzeitig vor der Expo 2000 eröffnet werden“, heißt es in einem Pressetext der „Hanseatischen Veranstaltungsgesellschaft“(HVG) des Landes Bremen. „Der Vertrag, der am 14.6.1995 unterzeichnet wurde, garantiert dem Lande Bremen bis Ende dieses Jahres das für Deutschland und Österreich exklusive Zugriffsrecht auf die volle Space-Camp-Lizenz...“Es soll ein „privat finanziertes Raumfahrt-Erlebniszentrum“werden.

20.3.1996: „Das Projekt Space Park ist auf gutem Wege. Voraussichtlich bereits in vier Wochen kann ich einen konkreten Vorschlag zur Projektabwicklung vorlegen, der dann in den Wirtschaftsförderungs-Ausschüssen beraten werden kann“, mit diesen Worten identifiziert sich Wirtschaftssenator Perschau mit dem Projekt.

17.5.96: „Hier geht es um ein privates Investitionsvolumen im sog. Space-Center und den damit verknüpften Investitionen von ca. DM 300 Mio.“, formuliert das Wirtschaftsressort in einem internen Papier. Das Land Bremen soll 28,5 Millionen Mark bezahlen, um alte Verpflichtungen aus der Zeit der Idee vom „Großanlagenbau“abzulösen. Das 17 Hektar große Industriegelände, das Bremen in den 80er Jahren für 28 Millionen gekauft hat, soll „zu einem symbolischen Verkaufspreis“an den gesuchten Space Park-Betreiber hingegeben werden.

23.5.96: „Was im Verantwortungsbereich des Sozial- oder Bildungsressorts zu einem politischen Skandal führen würde, wird unter der Federführung von Staatsrat Prof. Dr. Haller als Peanuts abgebucht“, fällt dem Grünen-Politiker Ralf Fücks dazu nur ein.

23.6.1996: Bis Ende des Jahres soll die Finanzierung stehen, 120 Millionen Mark privaten Investitionskapitals werden gesucht. Die Stadt will für 54,5 Millionen Mark das Gelände platt machen, „Neuordnung des AG-Weser-Geländes zwecks Realisierung des Space-Parks“heißt das im Hochglanz-Deutsch. Mit 1,2 Millionen Mark Abrißkosten steht der Bockkran auf der Liste.

24.5.1996: Eine „Gegendarstellung“der Hanseatischen Veranstaltungsgemeinschaft (HVG), einer GmbH aus dem Imperium des Wirtschaftssenators, flattert der taz auf den Tisch. „In Ihrem Artikel wird behauptet, die vor mehr als zwei Jahren begonnene Suche nach Investoren sei ergebnislos abgebrochen worden. Diese Behauptung ist falsch. Richtig ist, daß die Akquisition von Investoren intensiviert wurde...“

11.10.96: Das französische Militär interessiert sich für den Bocckran. Über den Preis wird Stillschweigen gewahrt.

21.3.97: Astronaut Buzz Aldrin rührt die Werbetrommel. Was ist „das Wichtigste“an einer Reise ins All? „Daß man den Rest seines Lebens damit verbringen kann, mit seinen Freunden über dieses Abenteuer zu sprechen“, berichtet der Weser Kurier.

Dezember 1996: Eine Sondersitzung der Wirtschaftsförderungs-Auschusse zum Stand der Dinge ist angekündigt. Die Zeit drängt, will man rechtzeitig vor der Expo fertig sein. Die Sitzung wird abgesagt, weil Projekt-Betreiber Köllmann die Investoren nicht benennen kann und verlangt, daß ein wesentlicher Teil der Investitionen durch das Land Bremen dargestellt oder garantiert wird.

März 1997: Eine Sondersitzung der Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse zum Stand der Dinge ist angekündigt. Die Zeit drängt. Die Sitzung wird abgesagt, weil Köllmann die Investoren nicht benennen kann und „hart verhandelt“(Staatsrat Haller).

Juni 1997: Eine Sondersitzung der Wirtschaftsförderungs-Ausschüsse zum Stand der Dinge ist angekündigt. Ein konkreter Termin für die Sitzung ist noch nicht angekündigt.

15.6.1997: Das Schwimmdock kommt, das den Kran nach Frankreich abtransportieren soll. K.W.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen