■ Umweltschutz: Bonn wird vom Vorreiter zum Großmaul: Ohne klares Ziel
Wo bleiben überprüfbare Umweltziele von Bundesumweltministerin Angela Merkel? Wann erklärt sie endlich die konkreten Schritte für eine Wende zur nachhaltigen Entwicklung? Auf der UN-Vollversammlung kommende Woche in New York werden sie und Kanzler Kohl zusammen mit den Regierungschefs der Welt Rechenschaft darüber ablegen müssen, was sie für die Umwelt getan haben. Kurz vorher hat Merkel noch schnell eine Studie des Umweltbundesamtes zum „Nachhaltigen Deutschland“ vorgelegt, und ein umweltpolitisches Schwerpunkteprogramm ... vorgelegt? ... nein, angekündigt – versteht sich. Und zwar für nächstes Frühjahr. So lange darf man weiterrätseln, wo die Umweltpolitik Merkels hintreibt.
Die Arbeitskreise mit VertreterInnen aus Politik, Industrie, Umweltverbänden und Wissenschaftlern, die Merkel am Runden Tisch zur Zeit über die ökologischen Schwerpunkte diskutieren läßt, verhandeln über alles mögliche, nur nicht über klare Ziele. Teilnehmer bezeichnen die Arbeitskreise als nette Debattierklubs, doch sobald es an harte Themen geht, bleibt Merkel ungefähr. Die neue Studie das Umweltbundesamtes (UBA) sollte die Debatte unterfüttern. Natürlich wollten die Experten möglichst konkrete Ziele und Schritte zu weniger Flächen- und Energieverbrauch erarbeiten. Doch Merkel ließ sie nicht. Überall, wo es konkret wurde, setzte das Ministerium den Rotstift an. So erschöpft sich die UBA-Studie oft in Szenarien.
Von einer Studie im Auftrag des Ministeriums muß man aber mehr erwarten: Sie sollte endlich konkrete Handlungsoptionen erarbeiten. Wie nötig das ist, zeigt der Klimaschutz, wo es ausnahmsweise ein konkretes Ziel gibt. Bis 2005 soll nur noch ein Viertel der Kohlendioxidmenge von 1990 ausgepustet werden. Doch mit welchen konkreten Schritten das erreicht werden soll, bleibt auch fünf Jahre nach Rio unklar. Mit dieser Konzeptlosigkeit verkommt Deutschland vor der Welt vom Vorreiter zum Großmaul.
Der Maulkorb für das UBA ist die logische Konsequenz einer Politik, die nicht mehr an Umweltschutz interessiert ist. Wo das Ministerium die UBA-Experten nämlich gewähren ließ, trafen die Gutachter gezielt die Umweltpolitik der Regierung: Mehr Kernenergie schadet dem Klimaschutz, und der Fernstraßenbau muß eingestellt werden, um zwei der raren Beispiele zu nennen. Hätten sie das UBA gewähren lassen, wäre es eine Abrechnung auf ganzer Front geworden. Matthias Urbach
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