: „Jetzt hilft nur noch Gewalt“
■ Schlecht vorbereitet oder wenig Interesse – statt der angekündigten 7.000 standen gestern nur 1.000 SchülerInnen auf dem Marktplatz. Aber die waren ganz sauer
und 1.000 SchülerInnen zogen gestern in einem Sternmarsch zum Bremer Marktplatz. Dort trafen sie sich zur groß angekündigten Abschlußkundgebung ihrer Protestwoche, in der an insgesamt 50 Schulen gestreikt worden war. Die Ankündigungen der Gesamt-Schülervertretung (GSV) entpuppten sich dabei allerdings als arg vollmundig. Eigentlich waren zu der Demonstration 7.000 SchülerInnen erwartet worden. Im Gegensatz zur vergangenen Demonstration im März verlief die gestrige Kundgebung friedlich. Vor drei Monaten war das Rathaus noch mit Eiern bombardiert worden. Über ihre Forderungen, ihre Erwartungen und Eindrücke aus der vergangenen Woche sprach die taz mit einigen SchülerInnen auf dem Bremer Marktplatz.
Robert: Diese ganzen Politiker sollte man abknallen. Gestern hat uns ein CDU-Politiker – Bürger oder so ähnlich hieß der – gesagt, er redet nicht mit streikenden Schülern. Das kann man doch nicht ernst nehmen. Den muß man doch aus der Bürgerschaft werfen.
Pamela: Totale Scheiße war das heute. Zuwenig Leute, keiner dieser Schweine-Politiker hat sich blicken lassen und die Gesamtschülervertretung ist auch noch zu dumm, um Strom für die Lautsprecher zu besorgen. Das ist doch das letzte. Die sollen die Schule verlassen. Die wähl' ich nicht mehr.
Stefan: Dies sollte der Abschluß einer Woche sein, in der an 50 Schulen gestreikt worden ist. Es sollte ein richtiges Zeichen zum Abschluß sein. Ein Signal an die Politiker und die Senatorin, um zu zeigen, daß wir uns nicht alles gefallen lassen. Ich hoffe, daß der Protest was bringt. Auch wenn ich glaube, daß es sinnlos war. Wir müssen jetzt darüber nachdenken, ob wir die Mittel falsch gewählt haben. Beim letzten Mal haben wir versucht, das Rathaus zu stürmen, aus Wut darüber, daß nichts passiert ist.
Kevin: Ich bin hier, um schon mal ein paar Bierchen mit den Kumpels zu trinken. Ist ja Wochenende.
Ole: Es ist ein bißchen schade, daß so wenige gekommen sind. Aber trotzdem, mit denen, die hier sind, wird man mit Sicherheit was machen können. Ich bin der Meinung, daß wir jetzt eigentlich Gewalt anwenden müßten. Die ganzen friedlichen Demos und andere Veranstaltungen haben bewiesen, daß das überhaupt nichts bringt, weil die Politiker über uns lachen.
Jetzt müssen wir den Arschlöchern zeigen: Wir meinen das ernst. Wir meinen das wirklich ernst. Dann hilft halt nur noch Gewalt: Straßen besetzen, Blockaden von Bullen durchbrechen, einfach Druck machen. Und wenn das nichts hilft, Steine schmeißen – gegen Bürgerschaft oder Rathaus oder so.
Agnina: Wir sind doch nicht hierher gekommen, um Zoff zu machen. Wir wollen friedlich demonstrieren, unsere Forderungen vortragen und mit der Masse an Schülern zeigen, daß wir es ernst meinen.
Phillip: Ich glaube nicht, daß die Politiker reagieren werden. Sieht man doch, nicht einer von denen hat sich hier blicken lassen. Kann man ihnen aber auch kaum verdenken - bei dieser Scheiß-Demo. Gesinge und planloses Geschwätz. Das ist doch völlig lächerlich und unwirksam. Vielleicht sollte man auch noch mal in die Bürgerschaft oder ins Rathaus gehen, um mit denen zu sprechen.
Moritz: Ich hab in der Schule übernachtet – sozusagen als Besetzer. Bin auch noch ganz fertig. Das Problem heute ist die schlechte Organisation. Es ist kein Strom für die Lautsprecheranlage da. Deswegen ist jetzt nur noch die Hälfte da. Weitergehen muß es aber trotzdem. Der Vorteil des Streiks war, daß die Leute jetzt einfach besser Bescheid wissen, was läuft. Vielleicht engagieren die sich jetzt mehr. Außerdem wurde der Kontakt zu den Jüngeren verbessert. Durch die vielen Arbeitsgemeinschaften haben sich auch die Fünft- und Sechstklässler eingebracht. Das ist echt super.
Max: Was die Gesamtschülervertretung hier heute auf die Beine gestellt hat, dürfte so ziemlich das letzte gewesen sein, was Bremen je gesehen hat. Die haben uns und damit haben wir uns alle nur lächerlich gemacht. Eine tierisch traurige Veranstaltung.
Jan: Wenn man sich überlegt, daß die Schulbehörde zusammen mit den Schulleitungen versucht hat, die Schüler einzuschüchtern, ist das hier schon ein Erfolg. Bei uns an der Schule wurde zum Beispiel verbreitet, daß die Demo nicht genehmigt sei. Sie ist aber genehmigt. Wir verletzen zwar die Schulpflicht aber wir haben auch ein Recht auf Versammlungsfreiheit. Darum haben wir jetzt hier ein Zeichen gesetzt, daß das nicht geht, bis 2004 insgesamt 400 Lehrerstellen abzubauen. Jetzt wollen wir mit kleineren Aktionen auf uns aufmerksam machen, damit die Schüler nicht demonstrationsmüde werden.
Daniela: Ich habe eigentlich damit gerechnet, daß wir alle heute hier zusammenkom-men und für unsere Sache streiken. Und jetzt, wo gerade mal ein Zehntel gekommen ist, finde ich das Superscheiße.
Joshua: Ich freu mich, daß soviele Leute zusammengekommen sind, um für uns zu demonstrieren.
Marja: Die ganze Demonstration ist doch voll für'n Arsch. Der einzige Vorteilist, daß man nicht zur Schule muß.
Emilia: Das hat doch alles nichts gebracht. Und was passiert bei den Politikern? Die geben Geld aus für Scheiße und wir kriegen nichts.
Nicole: Der Staat ist doch das letzte. Für die Bundeswehr haben sie Geld. Und wir kriegen alte Bücher, es fallen immer mehr Stunden aus – in der letzten Woche waren es sechs. Es gibt immer weniger Lehrer. Und aus dem Senat kommt auch nichts. Nicht mal heute, nach fünf Demonstrationen. Wie soll man da wissen, was man wählen soll. Die meisten wissen doch gar nicht mehr, wofür SPD und CDU stehen, wenn sich nichts tut. Das hat die Streikwoche deutlich gezeigt.
Sarah: Ich war hier, weil ich es eine riesengroße Schweinerei finde, daß soviel eingespart wird. Die ganze Bildung wird doch für uns Kinder in den Arsch gehen – auf deutsch gesagt. Es sollen nur 90 oder 60 Lehrer neu eingestellt werden. Das ist viel, viel zu wenig. Ich bin in der sechsten Klasse und muß noch einige Jahre zur Schule gehen und da müssen auch mal junge Lehrer her, welche unter 30. Nicht 42, was unser Lehrer jetzt ist. Das ist eine ganz große Schweinerei.
Jenny: Die fünfte und sechste Klasse von unserer Schule hat nicht die ganze Woche gestreikt. Aber ich denke schon, daß das was bringt, wenn ich mich jetzt hier hinstelle und demonstriere.
Alena: Weiterstreiken!
Kuddel: Das führt doch zu nichts. Es ist einfach nur lächerlich. Wenn wir hier effektiv kontra geben wollen, dann muß sowas vernünftig organisiert werden. Vernünftig formulierte Forderungen. Auch mal darüber nachdenken, wie Alternativen aussehen könnten. Aber jetzt stehen wir hier und sagen nur: Uns geht's Scheiße und damit war's das. So ist man als Schüler einfach nicht glaubwürdig.
Moni: Ich kann nur hoffen, daß die jetzt im Senat mal ein bißchen was schnallen. Gut, die Abschlußdemo war etwas chaotisch und es waren zuwenig Leute, aber im großen und ganzen haben wir denen gezeigt, daß wir unsere Meinung haben und die auch laut äußern: Mehr Lehrer, jüngere Lehrer, entlastete Lehrer, bessere Schulen und bessere Schulbücher. Wenn sich jetzt nichts tut, können die Gift drauf nehmen, daß es eine ganze Menge Schüler gibt, die die in Zukunft nicht wählen. Aber wahrscheinlich gehen die meisten Schüler in Zukunft sowieso gar nicht mehr wählen. Bei solchen Scheiß-Politikern.
Mit den Schülern sprach Jens Tittmann
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