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■ Bonn apart„Bild“ lesen, und der Kanzler ist ein offenes Buch

Wenn es stimmt, daß Wissen Macht ist, haben wir unseren Bundeskanzler fest in der Hand. Und so leicht war das. Einfach Bild lesen!

In dieser Woche haben wir zum Beispiel erfahren, daß Helmut Kohl im Bonner Restaurant „Sassella“ gerne Mozzarella sowie hausgemachte Nudeln mit Steinpilzen ißt und dazu einen 1990er „Corte della Meridina“ süffelt. Ebendort können wir ihn also erwischen, wenn wir ihm mal gehörig die Meinung sagen wollen. Einen Tag später konnten wir nicht nur lesen, daß Kohl immer noch eine Englischdolmetscherin braucht, sondern sogar, wer sie ist. Es handelt sich um die Legationsrätin 1. Klasse Dorothee Kaltenbach, „jene Dame mit schwarzer Ponyfrisur, ladyliker Haltung, die man im Fernsehen häufig hauchnah am Ohr des Kanzlers sieht“. Paparazzi und Privatdetektive aufgepaßt! „Hauchnah“ ist die vornehme Umschreibung dafür, daß Kohl noch eine zweite Freundin hat.

Am Donnerstag der vorläufige Höhepunkt: Kohls Bild enthüllt: „Helmut Kohl: Das Geheimnis seiner Kraft.“ Der Kanzler also von nun an ein offenes Buch, verwundbar wie Siegfried, nachdem sein Weib Kriemhild das Geheimnis seiner wunden Stelle an den Todfeind Hagen verriet? Schon zielen die Speere auf das unverfehlbare Ziel mit den Maßen 140/120/150 (Kohl in Kilo vor/während/nach dem Fasten). Wir kämpfen uns also hoffnungsfroh durch die Lektüre seines anstrengenden Tagesablaufs beim Gipfel der Europäischen Union in Amsterdam, nehmen ungeduldig zur Kenntnis, daß er schon morgens um 7 Uhr sein Hemd wechselt, um dann endlich zu erfahren: „Er ißt körbeweise Äpfel und trinkt literweise Tomatenschorle.“

Nun weiß die Opposition ja selbst am besten, was sie zur Ablösung von Helmut Kohl tun muß. Der Streit darum, ob der Steuergipfel im Bundeskanzleramt oder auf SPD-Terrain stattfinden sollte, hat gezeigt, wie bewandert die Sozialdemokraten darin sind, die Regierung zu zermürben.

Doch vielleicht nimmt sie von uns noch einen Tip an: Ab sofort sollten die täglichen Lastwagen- Ladungen von Äpfeln und Tomaten ins Bonner Kanzleramt abgefangen werden. Der Kanzler würde schwächer und schwächer – und die SPD käme ihrem Ziel bei der Bundestagswahl näher: deutlich über 30 Prozent. Markus Franz

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