: Betr.: Sabine Rollberg
Sabine Rollberg, eine Tochter, Chefredakteurin von arte: Ich habe eine Karriere nie geplant. Und ich möchte auch davor warnen, im Kindergarten den Fünfjahresplan zu formulieren. Meinen Weg in die Chefetage hat erleichtert, daß ich als Kind von Theaterleuten Disziplin und Pünktlichkeit nicht negativ als preußische Sekundärtugenden erlebte, sondern als nützliche Gebote der Höflichkeit und als Grundlage kreativer Prozesse. Auch Fleiß und eine robuste Gesundheit sind für die Karriere wichtig. Erschwert wird sie hingegen durch die Tücke des Selbstzweifels, der frau offenbar leichter anheimfällt als man. Mögen Männer auch nachts mit den Zähnen knirschen, tagsüber hört der Zweifel scheinbar auf zu nagen. Ich selbst habe mich beobachtet, wie ich für Harmonie warb und Selbstverständlichkeiten begründete, ohne zu merken, daß ich meine männlichen Mitarbeiter zum Raumgewinn einlud. Intuitiv habe ich mich gegen Versuche gesperrt, mich zu „verbiegen“. Aber als ich nach der Geburt meines Babys eine Konferenz einberief und sein Geschrei durch Stillen zum Verstummen brachte, habe ich an Autorität eingebüßt – besonders in Frankreich wird öffentliches Stillen nicht goutiert. Daß mein Kind mich aus dem Rennen schmeißen würde, hat man allerdings eher in Deutschland erwartet. Statt dessen hat es mir Kraft gegeben. Ich wohne in der Nähe des Büros und gönne mir seit der Geburt eine Mittagspause zu Hause. Auf Dienstreisen nehme ich Mann, der ein Babyjahr einlegt, und Kind mit. Wenn ich meiner Tochter die Geschichte vom Hasen und dem Igel erzähle, merke ich, daß es darauf ankommt, bei sich selbst anzukommen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen