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Der tägliche Tanz am Arbeitsplatz

Kathrin Brannenberg und Stefanie Wienzek sind als Lesben geoutet. Kein reines Vergnügen  ■ Von Constanze von Bullion

Sie würde es nicht wieder erzählen. Den Kollegen nicht, neben denen sie atemlos die letzten Meldungen in den Computer hackt. Dem Ressortleiter auf dem Flur nicht, an dem sie mit dem Manuskript vorbeistürmt. Der Dame in der Maske nicht, die ihr mit dem Puderpinsel eilig durchs Gesicht fährt, die den Lippenstift nachzieht und die kupferrote Rauschgoldmähne platt kämmt. Die Fernsehmoderatorin, die dann mit makellosem Lächeln die Schlagzeilen präsentiert, würde keinem ihrer Kollegen mehr erzählen, daß sie lesbisch ist. Kathrin Brannenberg * wird lügen beim nächsten Job. „Weil ich einfach keine Lust mehr habe, ,die Lesbe auf dem Bildschirm‘ zu sein.“

Wer sich outet am Arbeitsplatz, kann Streß kriegen. Wer es nicht tut, womöglich noch mehr. Frauen, die nie erzählen, was am Wochenende los war, die nicht verraten, mit wem sie das Urlaubsbett teilen und niemals auspacken über Affären oder Liebeskummer, erobern nur mühsam die Herzem ihrer KollegInnen. Seltsam steif und wortkarg, fand eine Studie des Münchner Frauenzentrums Kofra heraus, erleben sich viele Lesben am Arbeitsplatz. Jede zweite verschweigt Privates. 41 Prozent der Heimlichtuerinnen befürchten, kritischer beäugt zu werden. Weil zu den besten Jobs eben nicht nur Leistung, sondern auch ein vorzeigbarer Ehepartner gehört.

Um das „gläserne Dach“, das Aufsteigerinnen abfängt, die ausscheren aus der Norm, hat sich Kathrin Brannenberg früher nicht geschert. Sie hat erzählt, mit wem sie zusammenlebt. Auch ihre Freundin ist längst geoutet. Stefanie Wienzek* konnte ohnehin nie verleugnen, an welches Ufer sie gehört. Die resolute Frau, die „immer einen Schlag bei Heteras“ hatte, ist großgeworden mit den scheelen Blicken und den klitzekleinen Provokationen, mit der Angst, nicht anerkannt zu sein. Und mit dem wütenden Vorsatz, immer ein bißchen besser zu sein, als alle anderen.

Sie ist ein bißchen besser geworden. Jeden Morgen dirigiert die 33jährige zwei Dutzend Journalisten durch die Konferenz des Radiosenders, dessen Chefredakteurin sie ist. Die Frau mit dem zielgenauen Blick und der unüberhörbaren Stimme muntert auf und kanzelt ab, heuert Reporter an und schickt sie nach Hause. Führungsqualität heißt so was. „Daß ich eine Lesbe bin“, sagt sie, „das hat mir mehr Vorteile als Nachteile gebracht.“

Kein Wunder eigentlich. Homosexuelle Frauen sind ideale Arbeitnehmerinnen – theoretisch zumindest. Flexibel, weil meist ohne Kinder. Fleißig, weil von keinem Mann versorgt. Und ehrgeizig, weil ständig auf der Flucht vor Diskriminierung, vor eingebildeter oder tatsächlicher. Dennoch hängen lesbische Paare es selten an die große Glocke, erfolgsorientierte Doppelverdienerinnen zu sein. Anders als schwule Männer sind sie weit entfernt vom Image unverheirateter Workaholics.

Double income, no kids – Kathrin Brannenberg und Stefanie Wienzek haben ihre Einkünfte in ein Kleinstadtidyll im Bergischen Land investiert. Reihenhaus in schmucker Siedlung, Margeriten davor, gepflegter Garten dahinter. Drei Autos stehen in der Einfahrt, mobil sein ist Freizeitpflicht. Von Mallorca sind sie eben zurück, der USA-Trip ist schon geplant. Für irgendwas muß er doch gut sein, der tägliche Blues am Arbeitsplatz.

Dabei hätte Kathrin Brannenberg „nicht im Traum gedacht, daß es so was gibt“. So was, das fing vor sieben Jahren an. Da arbeitete sie bei einem Radiosender in Frankfurt am Main. „Ich war nett hetero und habe alle Signale einer hoffnungsvollen Anfängerin ausgestrahlt. Jeder hat mich gefördert.“ Von der „Wettermaus“ stieg die Volontärin auf zur Redakteurin. Schnell weggefischt war sie auch vom Heiratsmarkt. Hochzeit mit 25, Flitterwochen in den Staaten, ein Leben nach Plan. Ihr Mann zog ihr sogar nach Köln nach, arbeitete im selben Sender, eine Tür weiter. Gehalten hat die Ehe ein Jahr. Kathrin Brannenberg verliebte sich in Stefanie Wienzek, mitgekriegt haben das alle. Wenig später trennte sie sich von ihrem Mann. Und damit von ihren Förderern.

Daß Mobbing viele Gesichter hat, begriff die Journalistin ganz langsam. Bei Konferenzen etwa, wo ihre Themen plötzlich belächelt und dann abgewürgt wurden. Ober beim Blick auf den Dienstplan, wo ihr Name eines Tages nicht mehr unter den Moderatoren auftauchte. Der gehörnte Ehemann hatte seine Getreuen um sich geschart. Zu denen gehörte der Chefredakteur. Als sie sich bei ihm beschwerte, hieß es, sie sei eben psychisch nicht belastbar. Brannenberg ist gegangen. Freiwillig, wie sie meinte.

Nicht die Opferrolle zu spielen und über Demütigungen hinwegzusehen, schont den verletzten Stolz. Aber es hilft auch den Angreifern. Die können getrost darauf zählen, daß ihre Intrigen zu subtil sind, um beim Namen genannt zu werden. Wer behauptet, wegen Homosexualität ausgegrenzt zu werden, macht sich lächerlich. Nachweisen läßt es sich schließlich kaum, ob erst die Verunsicherung kommt und dann der Karriereknick, oder ob echte Schlappen ins Aus führen. „Ich hab's auf meine Qualifikation geschoben“, sagt Kathrin Brannenberg, „typisch Frau eben.“

Von Minderwertigkeitsgefühlen geplagt, wirkt die Frau nicht, die sich nach der Arbeit erst mal einen Aperitiv genehmigt auf der Terrasse, die nachsinnt, wann sich die neue Bügelhilfe vorstellen könnte und wie sie das mit ihrer Freizeit koordiniert. Denn die ist kostbar.

Kathrin Brannenberg moderiert inzwischen bei einem Kölner Fernsehsender. Der Neuanfang war geglückt, bis eine Kollegin irgendwann fragte, warum sie an den Rhein gezogen sei. „Weil meine Freundin hier lebt“, hat sie treu und brav geantwortet. Seither hat das Getuschel nicht mehr aufgehört. Ist der Lippenstift zu hell oder das Haar zu lockig, hat sie bei der Sendung zu selten gelacht oder zu oft. Für ihren Chef scheint alles klar. „Das ist eben eine Lesbe auf dem Bildschirm“, hat er neulich achselzuckend gesagt. So zumindest hat man es ihr zugetragen.

Alles Einbildung? Ein Wunder wäre es nicht. Höchst sensible Antennen hat Kathrin Brannenberg mittlerweile für jede Art von Distanzierung entwickelt. „Der Redaktionsleiter kann mir nicht mehr in die Augen schauen“, sagt sie. „Eine Frau, mit der Männer nicht flirten können – das können die irgendwie nicht einordnen.“ Sicher ist sie, daß sie bei ihrem Sender „keine großen Stiche mehr machen“ wird.

Ihre Freundin bezweifelt das. Stefanie Wienzek ist eben nach Hause gekommen, hat die dicke Aktentasche abgestellt, den Herrenanzug gegen eine Jeans eingetauscht und dicke Pantoffeln über die Füße gestülpt. Nach einem kurzen Nickerchen stellt Frau Chefredakteurin sich an den Herd und brät Speckwürfel an für die Maischolle. Als die Erdbeeren abserviert sind und die nächste Flasche Weißwein entkorkt ist, legt sie los.

„Ich bin lesbisch seit ich drei bin“, sagt Stefanie Wienzek, „und darüber habe ich keinen meiner Kollegen im Zweifel gelassen.“ Daß sie anders gekleidet ist und forscher auftritt als viele Frauen auf den besser bezahlten Posten, hat ihr Geläster eingebracht – aber auch Respekt. „Der Konkurrenzkampf auf dem Medienmarkt ist extrem hart“, weiß sie. „Wenn mißgünstige Kollegen da mobben, reagieren manche Lesben total verunsichert. Soche Frauen werden schnell kaputtgemacht.“

Daß sie selbst nicht kaputtgemacht wurde, verdankt sie einem offenbar ungebrochenen Selbstbewußtsein. Und der Tatsache, daß sie nie erpreßbar war. Wo es nichts zu enthüllen gab, erstickten auch die Gerüchte. Ein Thema bleibt ihr Privatleben trotzdem immer. Vor allem, wenn es Ärger gibt. „Neulich habe ich zwei Redakteure rausgeschmissen. Die haben nichts geleistet und dazu noch blöde Macho-Sprüche geklopft. Da muß man sich eben trennen.“ Böses Blut macht das, weiß Stefanie Wienzek. „Wegen einer Frau zu fliegen, ist schlimm für Männer. Von einer Lesbe gefeuert zu werden, ist doppelt schlimm.“

Ganz gleichgültig ist es ihr freilich nicht, was so geredet und gedacht wird. Muß die Radiochefin abends noch los zu einem Empfang, bleibt Kathrin zu Hause. Auch wenn der das „schon manchmal einen Stich“ versetzt. „Zu repräsentativen Veranstaltungen“, erzählt ihre Freundin, „gehe ich allein. Weil ich meinem Chef ersparen will zu erklären, wer die Frau an meiner Seite ist.“ Daß Stefanie über die harten Geschäfte redet, während Kathrin sich am Buffet langweilt, kommt nicht in Frage. Weil eben doch nicht alles werden soll wie bei ihren Vorgesetzten.

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