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Mit Drogenpolitik auf Du und Du

Methadonprogramm: Ermöglicht Junkies, die illegale Droge Heroin durch das Medikament Methadon zu ersetzen und wieder ein normales Leben ohne Beschaffungskriminalität führen zu können. Der Hamburger Modellvertrag zwischen Krankenkassen und Ärzten gestattete allen, die es brauchen, den Ersatzstoff zu bekommen. Dieser Vertrag wurde 1996 von den Kassen gekündigt. Seitdem ist ein neuer in Kraft, der sich im wesentlichen an den strengen NUB-Richtlinien orientiert und Ende dieses Jahres ausläuft.

NUB-Richtlinien bedeutet: Neue Untersuchungs- und Behandlungsrichtlinien. Obwohl Methadon längst erprobt und für gut befunden wurde, ist die Verschreibung noch immer diesen Kriterien unterworfen. Wäre das nicht der Fall, könnten Junkies die Behandlung einklagen. Die NUB-Richtlinien sehen nur für Todkranke und Schwangere Me-thadon vor. Die Methadonbehandlung aller anderen unterliegt einer Einzelfallprüfung.

Drogenambulanzen: Sie geben neben niedergelassenen Medizinern das Methadon aus. Weil unklar ist, wie es mit dem Methadonprogramm weitergeht, wurde den Ambulanz-ÄrztInnen bereits gekündigt (Kündigungsfristen). Zwar wird nicht davon ausgegangen, daß es zur Schließung kommt. Doch die Unkalkulierbarkeit sorgt in der Szene für Unruhe.

Beikonsum: Weil Methadon Entzugserscheinungen verhindert, aber keinen „Kick“auslöst, nehmen nichtstabilisierte Junkies zusätzlich Heroin. Um das zu verhindern, führen die Ärzte Urinkontrollen durch.

Heroinabgabe: Die ärztlich kontrollierte Abgabe von Heroin an diejenigen, die den Ausstieg nicht mehr schaffen. Denn reines Heroin verursacht zwar Sucht, aber keine Gesundheitsschädigungen wie Alkohol. Weil das Straßen-Heroin mit allen möglichen Stoffen verlängert wird – Heroinanteil nur etwa 20 Prozent –, infizieren sich die Abhängigen oft mit Krankheiten. SPD, Grüne und selbst die Frankfurter CDU-Oberbürgermeisterin Petra Roth sind für die Heroinabgabe. Ein Hamburger Bundesratsantrag scheitert an der CDU im Bundestag.

Träger: Fast die gesamte Drogenhilfe im Bereich illegaler Drogen wird von freien Trägern (meist Vereine) geleistet. Das heißt: Die Stadt stellt ihnen das Geld für die Arbeit zur Verfügung. Der Konflikt zwischen geldgebender Behörde und Trägern entsteht daraus, daß der Drogenbeauftragte Einfluß auf die Inhalte nehmen und die Drogenhilfe umbauen will. Die Träger berufen sich auf ihre Unabhängigkeit.

Modernisierung heißt das Stichwort, unter dem neue Steuerungsmodelle für die Drogenhilfe eingeführt werden sollen. Sie beinhalten „Qualitätskontrolle“und Vernetzung. Viele Träger sind vor allem deshalb skeptisch, weil sie eine „Produktbeschreibung“im sozialen Bereich und Kriterien für diese „Qualität“für problematisch halten. Während die Behörde sich von der Modernisierung ein „Fit machen für die Zukunft“verspricht, hält ein Teil der Drogenhilfeszene es für ein verschleiertes Rotstiftkonzept.

Silke Mertins

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