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Krach wegen Soli steht bevor

■ Die Beteuerungen der Koalitionsparteien, die für 1998 geplante Senkung des Solidaritätszuschlags gefährde nicht die Regierung, klingen wie ein Eingeständnis

Bonn (taz) – Für Kanzleramtsminister Friedrich Bohl (CDU) und den stellvertretenden FDP- Chef Rainer Brüderle ist die Sache klar: Die Bonner Koalition ist wegen der Diskussion um die Absenkung des Solidaritätszuschlags nicht gefährdet. Nach Bonner Lesart kann das nur heißen: Ein neuer Koalitionskrach um den Solidaritätszuschlag steht offenbar bevor.

CDU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble räumte gestern ein, daß die Steuerreform im Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat vermutlich scheitern werde. Davon wäre auch die Senkung des Solidaritätszuschlags betroffen. Die Koalition könnte zwar ein eigenes, aus dem Paket der Steuerreform herausgelöstes Soli-Gesetz verabschieden, wie es CDU-Generalsekretär Peter Hintze bereits im Mai vorgeschlagen hatte, doch dann stellte sich das Problem der Gegenfinanzierung in Höhe von 7,5 Milliarden Mark. Bislang ist diese Finanzierung durch das Steurreformgesetz gedeckt.

Die FDP hat dazu noch keinen Vorschlag gemacht – als wäre dies keine Frage ihrer Glaubwürdigkeit. FDP-Chef Wolfgang Gerhard und Fraktionschef Hermann Otto Solms sagen öffentlich grundsätzlich nichts zu diesem Thema, heißt es aus der Parteizentrale. Der finanzpolitische Sprecher, Otto Graf Lambsdorff, der Vorsitzende des Finanzausschusses, Carl-Ludwig Thiele, und der wirtschaftspolitische Sprecher, Paul Friedhoff, wollen sich ebenfalls nicht äußern.

Uwe Lühr, der stellvertretende FDP-Fraktionschef, sagt immerhin: „Sie können davon ausgehen, daß die FDP geeignete Vorschläge bringen wird.“ Wie diese aussehen könnten? „Es sind noch Einsparungen und Privatisierungen möglich.“ So hatte es schon geheißen, noch bevor das Kabinett den Nachtragshaushalt 1997 und den Haushalt 1998 verabschiedet hatte. Privatisierungen und Einsparungen sind inzwischen beschlossen.

Würde die FDP konkreter, könnte sie vielleicht die CDU-Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer beruhigen, die sich vehement gegen die Senkung des Solidaritätsbeitrags ausgesprochen haben. Dabei hängt die Höhe der Wirtschaftsförderung Ost nicht von der Höhe des Solidaritätszuschlags ab. „Die Wirtschaftsförderung wird durch den Solizuschlag nicht tangiert“, sagt ein Sprecher aus der FDP-Parteizentrale. Ohnehin beträgt der Anteil des Solidaritätszuschlags an den Transferleistungen des Bunds sowie den westdeutschen Ländern und Gemeinden (in diesem Jahr 192 Milliarden Mark) nur ein Siebtel. Trotz der angepeilten zweiprozentigen Senkung 1998 – das macht 7,5 Milliarden Mark aus – wird der Bund im kommenden Jahr die gleiche Summe in die neuen Bundesländer transferieren wie 1997.

Die Ministerpräsidenten in den neuen Bundesländern befürchten allerdings eine negative Signalwirkung. „Wenn der Soli gesenkt werden soll, fehlen nun mal Mittel im Bundeshaushalt“, sagt der Regierungssprecher der mecklenburg- vorpommerischen Landesregierung, Hans Kaiser. „Und irgendwo muß man die schließlich kompensieren.“ Wo das sein kann, ist für die ostdeutschen Politiker klar: Zu gut können sie sich noch an den Streit um die Kürzung der ABM- Mittel für Ostdeutschland erinnern. Zudem hatte der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Manfred Kolbe vor zwei Wochen gewarnt, das Bundesfinanzministerium plane, die Bundesmittel für Ostdeutschland um 4,5 Milliarden Mark zu streichen.

Möglicherweise ist ja der Widerstand der CDU-Ministerpräsidenten der Schlüssel zur Vermeidung des Koalitionsbruchs. Vorausgesetzt, die Koalition beschließt ein Gesetz zum Solizuschlag, könnten die Ministerpräsidenten der Union zusammen mit denen der SPD das Gesetz im Bundesrat mit einer Zweidrittelmehrheit zu Fall bringen. Die Bonner CDU wäre damit gegenüber der FDP aus dem Schneider – nicht sie hätte die Koalitionsvereinbarung gebrochen, sondern die Länder hätten ihr ungeplant einen Strich durch die Rechnung gemacht.

Der sächsische CDU-Abgeordnete Wolfgang Dehnel kann sich allerdings nicht vorstellen, daß die CDU-Ministerpräsidenten mit der SPD gemeinsame Sache machen: „Der Schaden für den Bundeskanzler wäre zu groß.“ Markus Franz

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