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Der Mörder kommt vor Gericht

Ab Freitag wird Kai Diesner in Lübeck der Prozeß gemacht. Behörden und Verfassungsschutz wiesen den Todesschützen nach seiner Festnahme als freischwebenden Einzeltäter aus. Bei einem Verhör soll er verlangt haben, als „politischer Gefangener“ behandelt zu werden. „Wirres rechtes Zeug“ habe er geredet, sagte Oberstaatsanwalt Möller zur taz. Diesner scheint die Todesstrafe zu befürchten, er wolle „nicht im Sitzen, sondern im Stehen erschossen werden. Und ohne Augenbinde“, zitiert ihn der Stern.

Die Todesstrafe ist abgeschafft. Kai Diesner, 24, wird mit einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe rechnen müssen. Zunächst befanden die Behörden, er sei ein Psychopath, ein typischer Einzeltäter. Zwischenzeitlich wurde er psychiatrisch untersucht. Diesner scheint in bester geistiger Verfassung. Es sei ein Mensch mit durchschnittlicher Intelligenz, soll das Gutachten ihm bescheinigen. Jenen, die in der Untersuchungshaft mit ihm zu tun haben, erscheint er „höflich und zuvorkommend“. Der braunen Szene scheint er weiterhin verbunden. Briefe an einen „Kameraden“ soll er mit „88“ unterschreiben. Ein Code, der „Heil Hitler“ bedeutet. Der achte Buchstabe im Alphabet ist das H.

Der Prozeß wird sich bis Oktober hinziehen. Anklage und Verteidigung werden bemüht sein, allem Anschein entgegenzutreten, daß das Verfahren ein politisches sei. Vielmehr stehe die „Persönlichkeit“ Diesners im Vordergrund, die Frage, „wie er dazu kommen konnte, solche Attentate zu verüben“, sagt ein Verfahrensbeteiligter. Die Antwort wird auch in seiner braunen Lebensgeschichte zu suchen sein.

Diesners Opfer, der Buchhändler, die Frau und die Mutter des ermordeten Polizisten und der schwerverletzte Polizist werden als Nebenkläger auftreten. roga

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