: Voscherau spielt Katz und Maus mit seinen Hamburger Genossen
■ Vor der Wahl am 21. September sendet der Bürgermeister ständig neue Signale aus: Ja, nein, doch, vielleicht zu Rot-Grün
Hamburg (taz) – Gutgelaunt spazierte der Hamburger Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) ins Fernsehstudio. In der Elefantenrunde war nur noch ein einziger Platz frei. Der neben dem grünen Politstar Krista Sager. Voscherau wandte sich bittend an den FDP-Spitzenkandidaten Frank- Michael Wiegand. Ob er nicht mit ihm tauschen wolle? Den freute das bürgermeisterliche Unbehagen: „Ich fühle mich auf meinem Stuhl ganz wohl.“ Also biß der SPD-Rechte die Zähne zusammen und wandte sich der ungeliebten Konkurrentin fortan mit übertriebenem Interesse und dem Gestus väterlicher Milde zu. „Jeden Quatsch“, betonte er jedoch am Ende des Streitgesprächs mit Blick auf die Realo-Grüne und mögliche Koalitionen, „mache ich aber nicht mit.“
Vor der Wahl am 21. September sendet Vorscherau fast täglich neue Signale aus. Am liebsten würde er mit dem jetzigen Koalitionspartner, der Statt Partei, weitermachen. Doch die bürgerliche Protestpartei liegt wie die FDP in Umfragen weit unter der Fünfprozentmarke. Mit seinem Ruf nach Law and Order näherte er sich dann der CDU. Die GAL, ließ er vergangene Woche andererseits wissen, sei gar nicht so schlimm, auch wenn sie noch vieles lernen müsse. Selbst Fragen der inneren Sicherheit sehe er „nicht als Stolperstein“ für eine rot-grüne Koalition. Rot-Grün- Fans schöpften Hoffnung.
Gestern nun diskreditierte er die GAL in der Hamburger Morgenpost als „nicht die richtige Truppe für diese schwierigen Zeiten bei Arbeitslosigkeit und Gewalt“. Nur Stunden später sagte er im NDR, daß es viele Themen gebe und eben auch solche wie die Erhaltung des Sozialstaats, für die die CDU die falsche Truppe sei.
Nach den aktuellen Umfragen kommt ein Bündnis der SPD (40 Prozent) mit der GAL (15 Prozent) oder mit der CDU (30 Prozent) in Frage. Die SPD-Basis, in der Mehrheit vehement für Rot- Grün, wagt nicht gegen das Liebäugeln des Bürgermeisters mit der CDU aufzubegehren. Dabei war eine Koalition mit den Grünen noch nie so einfach wie heute. Sämtliche umweltfeindlichen Großprojekte, an der die rot-grünen Verhandlungen vor vier Jahren scheiterten, sind längst auf den Weg gebracht. Der Zankapfel Hafenstraße ist befriedet. Und Joschka Fischer versprach schon vor Monaten: Wenn Voscherau in Hamburg sich gut führe und seinen rot-grünen Freischwimmer mache, würde er ihn vielleicht als Finanzminister 1998 nach Bonn holen. Silke Mertins
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen